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worden ist, ist dies, und zwar bei Thieren aller Arten, soweit wir es beurtheilen können, zum Zwecke des Schutzes oder zur Bildung eines Anziehungsmittels der Geschlechter an einander geschehen. Bei vielen Arten von Schmetterlingen sind die oberen Flächen der Flügel dunkel gefärbt, und dies befähigt sie aller Wahrscheinlichkeit nach dazu, der Beobachtung und der Gefahr zu entgehen. Aber Schmetterlinge sind vorzüglich wenn sie ruhen den Angriffen ihrer Feinde ausgesetzt und die meisten Arten erheben beim Ruhen ihre Flügel senkrecht über ihren Rücken, so dass nur die unteren Seiten dem Blicke ausgesetzt sind. Diese Seite ist es daher, welche in vielen Fällen in auffallender Weise so gefärbt ist, dass sie den Gegenständen gleicht, auf welche diese Insecten sich am häufigsten niederlassen. Ich glaube, es war Dr. Rössler, welcher zuerst die Aehnlichkeit der geschlossenen Flügel gewisser Vanessae und anderer Schmetterlinge mit der Rinde von Bäumen bemerkte. Viele analoge auffallende Fälle könnten hier noch mitgetheilt werden. Der interessanteste Fall ist der, den Mr. Wallace[1] von einem gewöhnlichen indischen und sumatraner Schmetterling (Kallima) berichtet hat, welcher wie durch einen Zauber verschwindet, wenn er sich in einem Gebüsche niederlässt. Denn er verbirgt seinen Kopf und seine Antennen zwischen den geschlossenen Flügeln und diese können in ihrer Form, Färbung und Aderung von einem verwelkten Blatte in Verbindung mit dessen Stiel nicht unterschieden werden. In einigen andern Fällen ist die untere Fläche der Flügel brillant gefärbt und doch dient sie als Schutzmittel. So sind die Flügel bei Thecla rubi, wenn sie geschlossen sind, smaragdgrün und gleichen den jungen Blättern des Himbeerstrauchs, auf welchen dieser Schmetterling im Frühjahr am häufigsten sitzend anzutreffen ist. Es ist auch merkwürdig, dass bei sehr vielen Arten, bei denen die Geschlechter in der Farbe der oberen Fläche bedeutend von einander abweichen, die untere Fläche in beiden Geschlechtern sehr ähnlich oder identisch gefärbt ist und als Schutzmittel dient.[2]

Obgleich die dunklen Färbungen der oberen oder unteren Flächen vieler Schmetterlinge ohne Zweifel dazu dienen, sie zu verbergen, so können wir doch diese Ansicht nicht auf die brillanten und auffallenden


  1. s. einen interessanten Artikel in der Westminster Review, July, 1867, p. 10. Ein Holzschnitt der Kallima ist von Mr. Wallace in Hardwicke’s Science Gossip, Sept., 1867, p. 196 mitgetheilt worden.
  2. G. Fraser, in: Nature, Apr., 1871, p. 489.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 407. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/421&oldid=- (Version vom 31.7.2018)