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auf den Schwanzdeckfedern des Pfauhahns bieten ein allbekanntes Beispiel dar, ebenso diejenigen auf den Flügeln des Pfauenaugen-Schmetterlings (Vanessa). Mr. Trimen hat mir eine Beschreibung einer südafricanischen Motte (Gynanisa isis) gegeben, welche unserem kleinen Nachtpfauenauge verwandt ist und bei welcher ein prachtvoller Augenfleck nahezu die ganze Oberfläche jedes Hinterflügels einnimmt. Er besteht aus einem schwarzen Mittelfelde, welches eine durchscheinende halbmondförmige Zeichnung enthält und von aufeinanderfolgenden ockergelben, schwarzen, ockergelben, rosa, weissen, rosa, braunen und weisslichen Zonen umgeben wird. Obschon wir nun die Schritte nicht kennen, auf welchen diese wunderbar schönen und complicirten Verzierungen entwickelt worden sind, so ist doch, mindestens bei Insecten, der Process wahrscheinlich ein einfacher gewesen; denn wie mir Mr. Trimen schreibt, sind „bei den Lepidoptern keine anderen Charactere blosser Zeichnung oder Färbung so unbeständig wie die Augenflecken, sowohl der Zahl als der Grösse nach“. Mr. Wallace, welcher zuerst meine Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand lenkte, zeigte mir eine Reihe von Exemplaren unseres gemeinen gelben Sandauges (Hipparchia Janira), welche zahlreiche Abstufungen von einem einfachen äusserst kleinen schwarzen Flecken bis zu einem elegant geformten Augenflecken darboten. Bei einem südafricanischen Schmetterlinge (Cyllo leda L.), welcher zu derselben Familie gehört, sind die Augenflecken selbst noch variabler. In manchen Exemplaren (A, Fig. 53) sind grosse Stellen auf der oberen Fläche der Flügel schwarz gefärbt und enthalten unregelmässige weisse Zeichnungen, und von diesem Zustande aus lässt sich eine vollständige Stufenreihe verfolgen bis zu einem ziemlich vollkommenen Ocellus (A1); dieser ist das Resultat einer Zusammenziehung der unregelmässigen Farbenflecke. In einer andern Reihe von Exemplaren lässt sich eine Abstufung verfolgen von äusserst kleinen weissen Flecken, welche von einer kaum sichtbaren schwarzen Linie umgeben werden (B), zu vollkommen symmetrischen und grossen Augenflecken (B1).[1] In Fällen wie den vorstehenden erfordert die Entwicklung eines vollkommenen Ocellus keinen langen Verlauf von Abänderungen und Zuchtwahl.


  1. Dieser Holzschnitt ist nach einer schönen Zeichnung angefertigt worden, welche Mr. Trimen für mich zu machen die Güte hatte; s. auch seine Beschreibung des wunderbaren Betrags von Abänderung in der Färbung und der Form des Flügels dieses Schmetterlings in seinen: Rhopalocera Africae australis, p. 186.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/137&oldid=- (Version vom 31.7.2018)