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nicht von den Weibchen unterschieden werden, ausgenommen durch die Grösse, während in zwei anderen die Geschlechter einander so ungleich sind, dass sie leicht fälschlich für verschiedene Arten gehalten werden können.[1]

Die folgenden Fälle können nur durch die Gesetze der Vererbung erklärt werden, wo nämlich das Weibchen in einer späten Lebensperiode gewisse Charactere erhält, welche dem Männchen eigen sind, und dann schliesslich diesem mehr oder weniger vollständig ähnlich wird. Hier kann der Schutz kaum in's Spiel gekommen sein. Mr. Blyth theilt mir mit, dass die Weibchen von Oriolus melanocephalus und einiger nahe verwandter Species, wenn sie hinreichend reif sind, um zu brüten, beträchtlich in ihrem Gefieder von den erwachsenen Männchen verschieden sind. Aber nach der zweiten oder dritten Mauserung weichen sie nur darin von jenen ab, dass der Schnabel eine leicht grünliche Färbung erhält. Bei den Zwergreihern (Ardetta) erlangt derselben Autorität zufolge „das Männchen seine schliessliche Färbung mit der ersten Mauserung, das Weibchen nicht vor der dritten oder vierten. In der Zwischenzeit bietet es eine intermediäre Färbung dar, welche schliesslich gegen ein Kleid vertauscht wird, welches mit dem des Männchens identisch ist“. So erlangt ferner der weibliche Wanderfalke (Falco peregrinus) sein blaues Gefieder langsamer als das Männchen. Mr. Swinhoe führt an, dass bei einem Drongo-Würger (Dicrurus macrocercus) das Männchen, während es fast noch ein Nestling ist, sein weiches braunes Gefieder mausert und ein gleichförmiges, glänzendes, grünlich-schwarzes erhält. Das Weibchen behält dagegen lange Zeit die weissen Streifen und Flecken auf den Achselfedern und nimmt die gleichmässige schwarze Farbe des Männchens vor den ersten drei Jahren nicht vollständig an. Derselbe ausgezeichnete Beobachter bemerkt, dass im Frühlinge des zweiten Jahres der weibliche Löffelreiher (Platalea) von China dem Männchen des ersten Jahres ähnlich ist und dass er allem Anscheine nach nicht vor dem dritten Frühlinge dasselbe erwachsene Gefieder erhält, wie es das Männchen in einem viel früheren Alter besitzt. Der weibliche nordamericanische Seidenschwanz (Bombycilla carolinensis) ist vom Männchen nur sehr wenig verschieden; aber die Anhänge, welche wie Tropfen von rothem Siegellack die Schwungfedern


  1. The Ibis, Vol. VI. 1864, p. 122.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/180&oldid=- (Version vom 31.7.2018)