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verzieren,[1] entwickeln sich bei demselben nicht so zeitig im Leben als beim Männchen. Die obere Kinnlade beim Männchen eines indischen Papageien (Palaeornis javanicus) ist von der frühesten Jugend an korallenroth; beim Weibchen aber ist sie, wie Mr. Blyth an in Käfigen gehaltenen und wilden Vögeln beobachtet hat, anfangs schwarz und wird nicht eher roth, als bis der Vogel wenigstens ein Jahr alt ist, in welchem Alter die Geschlechter einander in allen Beziehungen ähnlich sind. Beide Geschlechter des wilden Truthuhns sind schliesslich mit einem Büschel von Borsten auf ihrer Brust versehen, aber bei zwei Jahre alten Vögeln ist dieses Büschel beim Männchen ungefähr vier Zoll lang und beim Weibchen kaum zu bemerken. Wenn indessen das Letztere sein viertes Jahr erreicht hat, so ist jenes Büschel vier bis fünf Zoll lang.[2]

Derartige Fälle dürfen nicht mit solchen vermengt werden, bei welchen erkrankte oder alte Weibchen abnormer Weise männliche Charactere annehmen, oder mit solchen, in welchen vollkommen fruchtbare Weibchen, so lange sie jung sind, durch Abänderung oder durch irgend eine unbekannte Ursache die Merkmale des Männchens annehmen.[3] Aber alle diese Fälle haben soviel mit einander gemein, dass sie, der Hypothese der Pangenesis zufolge, davon abhängen, dass aus jedem Theile des Männchens herrührende Keimchen beim Weibchen, wenn auch latent, vorhanden sind und dass ihre Entwickelung Folge von irgend einer unbedeutenden Veränderung in den Wahlverwandtschaften seiner constituirenden Gewebe ist.


  1. Wenn das Männchen dem Weibchen den Hof macht, werden diese Anhänge in Schwingungen versetzt und „dadurch sehr vortheilhaft zur Erscheinung gebracht“, da die Flügel ausgestreckt gehalten werden, s. A. Leith Adams, Field and Forest Rambles, 1873, p. 153.
  2. Ueber Ardetta s. die Uebersetzung von Cuvier's Règne animal von Mr. Blyth p. 159, Anmerk. Ueber Falco peregrinus: Blyth, in: Charlesworth's Magaz. of Natur. Hist. Vol. I. 1837, p. 304; über Dicrurus: Ibis, 1863, p. 44; über Platalea: Ibis, Vol. VI. 1864, p. 366; über die Bombycilla: Audubon, Ornitholog. Biography, Vol. I, p. 229; über Palaeornis s. auch Jerdon, Birds of India, Vol. I, p. 263. Ueber das wilde Truthuhn: Audubon, a. a. O. Vol. I, p. 15. Von Judge Caton höre ich aber, dass in Illinois das Weibchen sehr selten das Federbüschel erhält. Analoge Fälle in Bezug auf das Weibchen von Petrocossyphus hat R. B. Sharpe mitgetheilt in: Proceed. Zoolog. Soc. 1872, p. 496.
  3. Mr. Blyth hat in der Uebersetzung von Cuvier's Règne animal verschiedene Fälle verzeichnet von Lanius, Rubicilla, Linaria und Anas. Auch Audubon hat einen ähnlichen Fall von Pyranga aestiva verzeichnet, Ornitholog. Biography, Vol. V, p. 519.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/181&oldid=- (Version vom 31.7.2018)