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Amsel nehmen die Schwungfedern ihren erwachsenen Character nach den andern an und werden nach ihnen schwarz; andrerseits werden die Schwungfedern bei den beiden eben genannten Species vor den andern blau. Die wahrscheinlichste Ansicht in Beziehung auf die Fälle der vorliegenden Classe ist die, dass die Männchen, verschieden von dem was in der 1. Classe eintritt, ihre Farben in einem früheren Alter ihren männlichen Nachkommen überliefert haben, als in dem, in welchem sie selbst sie zuerst erlangten; denn wenn die Männchen variirt hätten, so lange sie noch ganz jung waren, so würden sie wahrscheinlich ihre Charactere ihren Nachkommen beiderlei Geschlechts überliefert haben.[1]

Bei Aïthurus polytmus (einem der Colibri's) ist das Männchen glänzend schwarz und grün gefärbt und zwei von den Schwanzfedern sind ungeheuer verlängert; das Weibchen hat einen gewöhnlichen Schwanz und nicht auffallende Farben; anstatt dass nun in Uebereinstimmung mit der gewöhnlichen Regel die jungen Männchen dem erwachsenen Weibchen ähnlich sind, beginnen sie schon von Anfang an die ihrem Geschlechte eigenthümlichen Farben anzunehmen, wie auch ihre Schwanzfedern bald verlängert werden. Ich verdanke diese Mittheilung Mr. Gould, welcher mir auch den folgenden noch auffallenderen und noch nicht veröffentlichten Fall mitgetheilt hat. Zwei zu der Gattung Eustephanus gehörige, beide wundervoll gefärbte Colibri's bewohnen die kleine Insel Juan Fernandez und sind immer als specifisch verschieden aufgezählt worden. Es ist aber vor Kurzem ermittelt worden, dass der eine, welcher eine reiche nussbraune Farbe mit einem goldrothen Kopf hat, das Männchen ist, während der andere, welcher elegant mit Grün und Weiss gefleckt ist und einen metallisch grünen Kopf hat, das Weibchen ist. Nun sind die Jungen von Anfang an in einem gewissen Grade den Erwachsenen des entsprechenden Geschlechts ähnlich und die Aehnlichkeit wird allmählich immer mehr und mehr vollständig.


  1. Es mögen ausserdem noch die folgenden Fälle hier erwähnt werden: die jungen Männchen der Tanagra rubra können von den jungen Weibchen unterschieden werden (Audubon, Ornitholog. Biography, Vol. IV, p. 392); dasselbe gilt für die Nestlinge einer blauen Spechtmeise von Indien (Dendrophila frontalis, Jerdon, Birds of India, Vol. I, p. 389). Mr. Blyth theilt mir mit, dass die Geschlechter des Schwarzkehlchens, Saxicola rubicola, in einem sehr frühen Alter unterschieden werden können. Mr. Salvin führt den Fall von einem Colibri, ebenso den oben erwähnten von Eustephanus an (Proceed. Zool. Soc. 1870, p. 206).
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/218&oldid=- (Version vom 31.7.2018)