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und bildet noch ein weiteres riechendes Organ. Es ist eine eigenthümliche Thatsache, dass die von dieser letzteren Drüse abgesonderte Substanz sich der Angabe von Pallas zufolge während der Paarungszeit weder in der Consistenz verändert noch der Quantität nach zunimmt. Nichtsdestoweniger nimmt dieser Forscher an, dass ihr Vorhandensein in irgend welcher Weise mit dem Acte der Reproduction in Zusammenhang steht. Er gibt indessen nur eine vermuthungsweise und nicht befriedigende Erklärung von ihrem Gebrauche.[1]

Wenn während der Paarungszeit das Männchen allein einen starken Geruch von sich gibt, so dient dieser in den meisten Fällen wahrscheinlich dazu, das Weibchen zu reizen oder zu locken. Wir dürfen in Bezug auf diesen Punkt nicht nach unserem eigenen Geschmacke urtheilen; denn es ist wohl bekannt, dass Ratten von gewissen ätherischen Oelen und Katzen von Baldrian berauscht werden, Substanzen, welche weit entfernt davon sind, uns angenehm zu sein, und dass Hunde, trotzdem sie Aas nicht fressen, doch dasselbe beschnuppern und sich darin wälzen. Aus den bei der Erörterung der Stimme des Hirsches gegebenen Gründen können wir wohl die Idee zurückweisen, dass der Geruch dazu diene, die Weibchen aus der Entfernung zu den Männchen hinzuführen. Reichlicher und lange fortgesetzter Gebrauch kann hier nicht in das Spiel gekommen sein, wie bei den Stimmorganen. Der ausgegebene Geruch muss für das Männchen von einer beträchtlichen Bedeutung sein, insofern grosse und complicirte Drüsen in einigen Fällen entwickelt worden sind, die mit Muskeln zum Umwenden des Sackes und zum Schliessen und Oeffnen der Mündung versehen sind. Die Entwickelung dieser Organe durch geschlechtliche Zuchtwahl ist wohl verständlich, wenn die stärker riechenden Männchen beim Gewinnen des Weibchens die erfolgreichsten gewesen sind und Nachkommen hinterlassen haben, ihre allmählich vervollkommneten Drüsen und stärkeren Gerüche zu erben.

Entwickelung der Haare. – Wir haben gesehen, dass männliche Säugethiere häufig das Haar an ihrem Nacken und ihren Schultern viel stärker entwickelt haben als die Weibchen und es liessen sich noch viele weitere Beispiele hierfür anführen. Dies dient zuweilen


  1. Pallas, Spicilegia Zoologica, Fasc. XIII. 1799, p. 24. Desmoulins, Diction. class. d'Hist. Natur. Tom. III, p. 586.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/275&oldid=- (Version vom 31.7.2018)