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Capitel ist gezeigt worden, daß ein ernstliches und lang anhaltendes Verlangen, entweder die Thätigkeit der Thränendrüsen zurückzuhalten oder zu vermehren von Wirkung ist. Einige merkwürdige Fälle sind in Bezug auf Frauen mitgetheilt worden von der Gewalt des Geistes über die Milchdrüsen und noch merkwürdigere in Bezug auf die Uterinfunctionen.[1]

Wenn wir unsere ganze Aufmerksamkeit auf irgend einen Sinn richten, so wird dessen Schärfe erhöht,[2] und die beständige Gewohnheit scharfer Aufmerksamkeit, so bei blinden Leuten auf den Gehörsinn und bei blinden und tauben Personen auf den Tastsinn, scheint den in Rede stehenden Sinn permanent feiner auszubilden. Nach den Fähigkeiten verschiedener Menschenrassen zu urtheilen, ist auch einiger Grund zur Annahme vorhanden, daß die Wirkungen vererbt werden. Wendet man sich zu gewöhnlichen Empfindungen, so ist es eine bekannte Thatsache, daß der Schmerz ärger wird, wenn man ihm Beachtung schenkt, und Sir Benj. Brodie geht so weit, zu glauben, daß man Schmerz in jedem Theile des Körpers fühlen könne, auf den die Aufmerksamkeit sich scharf richtet.[3] Sir Henry Holland bemerkt


  1. Dr. J. Crichton Browne ist nach seinen Beobachtungen an Geisteskranken überzeugt, daß die längere Zeit hindurch auf irgend einen Theil oder ein Organ gelenkte Aufmerksamkeit schließlich dessen capillare Circulation und Ernährung beeinflußt. Er hat mir einige außerordentliche Fälle mitgetheilt; einer derselben, welcher hier nicht ausführlich erzählt werden kann, betrifft eine verheirathete Frau von fünfzig Jahren, welche an der festen und lange anhaltenden Täuschung litt, daß sie in andern Umständen sei. Als die erwartete Zeit heran kam, benahm sie sich genau so, als wäre sie von einem Kinde entbunden worden, und schien außerordentliche Schmerzen zu haben, so daß der Schweiß ihr auf die Stirne trat. Das Resultat war, daß ein Zustand der Dinge eintrat und drei Tage lang anhielt, welcher während der vorausgehenden sechs Jahre ausgesetzt hatte. Mr. Braid führt in seinem Buche: „Magic, Hypnotism etc.“ 1852, p. 95, und in andern Werken analoge Fälle, ebenso noch andere Thatsachen an, welche den großen Einfluß des Willens auf die Milchdrüsen, selbst einer Seite allein nachweisen.
  2. Dr. Maudsley hat (The Physiology and Pathology of Mind. 2. edit., 1868, p. 105) nach guter Gewähr einige merkwürdige Angaben in Bezug auf die Verbesserung des Tastsinnes durch Übung und Aufmerksamkeit mitgetheilt. Es ist merkwürdig, daß wenn dieser Sinn hierdurch an irgend einem Theile des Körpers, z. B. an einem Finger, schärfer geworden ist, er auch an der andern Seite des Körpers in gleicher Weise an Schärfe gewonnen hat.
  3. The Lancet, 1838, p. 39-40, citirt von Prof. Laycock, Nervous Diseases of Women, 1840, p. 110.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 312. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/332&oldid=- (Version vom 31.7.2018)