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harter Hornpunkte rauh geworden. Es liegt daher in der Annahme nichts Unwahrscheinliches, daß irgend eine frühe Cetaceenform mit ähnlichen Hornpunkten am Gaumen versehen war, welche aber regelmäßiger gestellt waren und wie die Höcker am Schnabel der Gans dem Thiere halfen, seine Nahrung zu ergreifen und zu zerreißen. War dies der Fall, so wird man kaum läugnen können, daß die Punkte durch Abänderung und natürliche Zuchtwahl in ebenso wohl entwickelte Lamellen verwandelt werden konnten, wie die der egyptischen Gans, in welchem Falle sie dann beiden Zwecken dienten, sowohl dem Ergreifen der Nahrung als dem Durchseihen des Wassers, dann in Lamellen wie die der gemeinen Ente, und so immer weiter, bis sie so gut construirt waren, wie die der Löffel-Ente, in welchem Falle sie ausschließlich als Apparat zum Filtriren des Wassers gedient haben werden. Von dieser Stufe, auf welcher die Lamellen im Verhältnis zur Kopflänge zwei Drittel der Länge der Fischbeinplatten von Balaenoptera rostrata hatten, führen uns dann Abstufungen, welche man in noch jetzt lebenden Cetaceen beobachten kann, zu den enormen Fischbeinplatten beim Grönland-Wale. Es liegt auch hier nicht der geringste Grund zu zweifeln vor, daß jeder Fortschritt in dieser Stufenreihe gewissen alten Cetaceen eben so nutzbar gewesen sein können, wo die Functionen der Theile sich während des Fortschritts der Entwicklung langsam änderten, wie es die Abstufungen im Bau der Schnäbel bei den verschiedenen jetzt lebenden Vögeln aus der Familie der Enten sind. Wir müssen uns daran erinnern, daß jede Entenspecies einem harten Kampf um’s Dasein ausgesetzt ist, und daß der Bau eines jeden Körpertheils ihren Lebensbedingungen angepaßt sein muß.

Die Pleuronectiden oder Plattfische sind merkwürdig wegen ihrer unsymmetrischen Körper. Sie liegen in der Ruhe auf einer Seite, – bei der größeren Zahl der Species auf der linken, aber bei einigen auf der rechten; und gelegentlich kommen erwachsene Exemplare mit einer umgekehrten Asymmetrie vor. Die untere oder ruhende Fläche gleicht auf den ersten Blick der Bauchfläche eines gewöhnlichen Fisches; sie ist von weißer Farbe, in vielen Beziehungen weniger entwickelt als die obere Seite, die seitlichen Floßen sind häufig von geringerer Größe. Aber die Augen bieten die merkwürdigste Eigenthümlichkeit dar; denn beide befinden sich auf der oberen Seite des Kopfes. Während der frühen Jugend indessen stehen sie einander gegenüber und

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/271&oldid=- (Version vom 31.7.2018)