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Walther Kabel: Das Unterrockbanner. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 10, S. 215–217

Rothäute die Farm vollständig niedergebrannt und sämtliches Vieh fortgetrieben wurde. Das Ehepaar selbst rettete zwar das nackte Leben, aber seine beiden ein- und zweijährigen Knaben wurden von den Indianern erbarmungslos abgeschlachtet.

Dieser furchtbare Schlag verwandelte den bisher sanften Charakter der jungen Gräfin vollständig. Unstillbarer Rachedurst erfüllte ihr Herz. Gemeinsam mit ihrem Gatten durchstreifte sie fortan heimatlos die Prärien, und ihrer sicheren Kugel fielen unzählige Rothäute zum Opfer. In den Grenzorten war sie eine wohlbekannte Erscheinung. Stets trug sie dieselbe Kleidung, einen fußfreien hirschledernen Rock und eine grüne Bluse aus dickem Wollstoff. Von ihrer Körperkraft und Gewandtheit im Reiten und Schießen erzählte man sich Wunderdinge.

Als dann im Jahre 1863 in Kolorado das Erste Freiwilligenregiment gebildet wurde, um die Rothäute endgültig aus der Nähe der Ansiedlungen zu verdrängen, ließ sich das Ehepaar Murat in die erste Kompanie einreihen. In dem erbitterten Gefechte bei Cottny-Springs war es, wo das Regiment seine Fahne verlor. Als am Abend nach dem Kampfe dieser Verlust im Biwak bekannt wurde, herrschte allgemeine Bestürzung. Aber die Gräfin Murat wußte Rat. Aus ihrem blau und weiß gestreiften Unterrock nähte sie ein neues Fahnentuch zurecht, auf das mit schwarzer Ölfarbe schnell die nötigen Sterne und der Name des Truppenteils gemalt wurden. Dieses an eine einfache Zeltstange befestigte Fahnentuch hat dann das Erste Freiwilligenregiment von Sieg zu Sieg geleitet.

Das Ehepaar Murat setzte sein abenteuerliches Leben noch bis zum Jahre 1872 fort. Dann ließ es sich auf seiner alten Farm am Palmasee nieder und versuchte es abermals mit der Viehzucht. Aber das Glück blieb ihm fern. Als bald darauf Graf Murat plötzlich starb, blieb seine Witwe in den dürftigsten Verhältnissen zurück.

Erst nach Jahren hörten ihre alten Kampfgenossen von ihrer Not. Es wurde sofort eine Sammlung veranstaltet, die, unterstützt von der ganzen nordamerikanischen Presse, nicht weniger

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Das Unterrockbanner. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 10, S. 215–217. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1913, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Unterrockbanner.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)