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Ah – es klappte! Die eine Chinesin, die hübscheste, widersprach jetzt. Auch sie war nicht mehr ganz nüchtern. Sie sagte mit einem gewissen vertraulichen Stolz, sie kenne hier in Madras einen englischen Lord, der als Sportsmann geradezu berühmt sei.

Harald änderte die Taktik, ließ noch zwei Flaschen Sekt bringen und jagte die anderen Dämchen davon, zog die Vorhänge zu und war nun mit seinem „Opfer“ allein.

Was die beiden dann flüsterten, verstand ich nicht. Ich tat jetzt, als wäre ich auf meinem Diwan eingeschlafen, hatte die Augen geschlossen und gab trotzdem auf alles genau acht – sehr genau.

Mit einem Male hörte ich draußen eine energische, ziemlich helle Stimme, die nach Tokaru rief. So hieß der patente braune „Oberkellner“. Das Englisch dieses Mannes verriet den Nichtbriten.

Ich wurde neugierig, richtete mich auf und lugte durch die Vorhänge hindurch. Inmitten dieses Raumes standen ein paar Korbsessel um ein Tischchen gruppiert. In dem einen Sessel saß ein magerer, blonder Europäer mit tiefgebräuntem Gesicht und einer scharfen, leicht gekrümmten Nase. Drei der Chinesinnen schauten ihn aus einiger Entfernung fast ängstlich an. Dann erschien Tokaru, dienerte vielmals und fragte nach den Befehlen des Sahib.

Der Fremde deutete mit einer kurzen Handbewegung auf die schlitzäugigen Püppchen. Tokaru schickte sie weg. Sie trippelten in den Nebenraum.

Tokaru beugte sich tief zu dem mageren, bartlosen Herrn herab. Sie flüsterten miteinander. Dann bemerkte ich, wie beider Augen gleichzeitig erst über Haralds und darauf über meine Kabine mit besonderem Ausdruck hinwegglitten.

Mir war sofort klar, daß Tokaru und der blonde Fremde, dessen Kinnpartie geradezu brutal in ihrer Breite und mit ihren tiefen Falten wirkte, etwas besprachen, das uns beide irgendwie anging. Von dieser Überzeugung bis zu dem Verdacht, der magere Blonde könnte wissen, wer wir in Wirklichkeit waren, gehörte nur ein kurzer Gedankensprung.

Sie flüsterten jetzt abermals miteinander.

Drüben bei Harst war es ganz still geworden.

Dann sagte der Fremde laut:

„Also eine Pfeife und die doppelte Portion Gift.“

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Piratenschoner. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Piratenschoner.pdf/56&oldid=- (Version vom 31.7.2018)