Seite:Der Piratenschoner.pdf/55

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Madame Tschodri im Teegeschäft. Erst betrat ich den Laden. Harald kam zehn Minuten später.

Davis hatte nicht zu viel gesagt: diese Opiumhöhle war wirklich „erstklassig“. Das war keine „Höhle“, das war ein luxuriöses Cafee mit fein abgetönter künstlicher Beleuchtung, mit seidenen, gemalten Tapeten, mit kostbaren Teppichen und einer Musikkapelle, die stets nur gedämpft und dazu unsichtbar spielte. Die vier Räume waren nur durch Perlvorhänge voneinander getrennt. Lautlos huschten kleine, zierliche Chinesinnen auf ihren Stöckelschuhen hin und her und bedienten die Gäste. Ein würdiger Inder mit langem schwarzen Bart führte die Oberaufsicht. An den Wänden zogen sich die kleinen, durch Seidenvorhänge abgeteilten Kabinen hin. In jeder stand ein Diwan und daneben ein niedriges Tischchen.

Ich hatte mit Harst alles genau verabredet. Ich wählte eine Kabine zwischen zwei unbesetzten. Als Harald kam, nahm er die Box links von mir.

Eine der Chinesen-Püppchen setzte sich zu mir und plapperte in schlechtem Englisch so allerlei. – Nun gut – ich bestellte zunächst Sekt. Diese Opiumhöhle war das richtige Nepplokal.

Auch Haralds Chinesin kam mit einem Sektkühler angetänzelt. Dann erschien der würdige Herr „Oberkellner“, der einen schneeweißen Leinenanzug trug und offenbar sehr eitel war.

In Harsts Kabine wurde es bald recht lebhaft. All das war zwischen uns vereinbart. Ich sollte den „Sparsamen“ spielen. Als meine schlitzäugige Holde mir noch eine zweite Flasche Sekt abschmeicheln wollte, lehnte ich grob ab und ließ mir eine Opiumpfeife geben und die Vorhänge der Box schließen.

Ich konnte genau hören, was nebenan bei Harst gesprochen wurde. Die fidele Gesellschaft war bereits bei der vierten Flasche Sekt. Ich schnitt ein winziges Loch in den Zwischenvorhang und sah nun auch Freund Harst in seiner Rolle als lebenslustigen, splendiden Engländer.

Er spielte den ganz leicht Bezechten und den renommierlustigen Sportfex, erzählte von seinen Autowettfahrten, von Segelregatten und Tennistournieren und behauptete immer wieder, so einen „Kerl“ wie ihn gebe es nicht wieder auf der Welt.

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Piratenschoner. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Piratenschoner.pdf/55&oldid=- (Version vom 31.7.2018)