Exzellenz gähnte und blickte nach der Stutzuhr hin. Punkt zwölf gingen Laukens zu Bett.
„Noch zehn Minuten,“ murmelte die hagere Dame und gähnte wieder…
Sigi rief: „Mutti, mit Dir ist’s zum Verzweifeln! – Ich bleibe heute auf … Ich …“
„Unsinn, Kind! Ich denke, wir müssen schwer genug arbeiten … Da soll man den Nachtschlaf nicht derartiger Nebensächlichkeiten wegen verkürzen …“
Sie stichelte eifrig. „Wenn Du nur bald wieder eine Abschrift bekämest, Sigi … Das Frühjahr steht vor der Tür, und Du mußt unbedingt ein neues Kostüm haben … Vorgestern sah Dich Regierungsrat Sommer so – so mitleidig an … Er merkte wohl, daß Dein Wintermantel gewendet ist …“
„Ach – – Sommer!!“ Und Sigi beschrieb mit der Hand einen Bogen durch die Luft …
„So … schnuppe ist er mir, Mutti!“ bekräftigte sie nochmals …
„Auf wen wartest Du eigentlich?!“ Exzellenz erregte sich leicht … Ihre Stimme klang scharf … „Wenn Sommer um Dich anhält, wirst Du seinen Antrag annehmen …!“
Sigis graublaue Augen flimmerten plötzlich. Um den vollen Mund erschien ein Zug von unbeugsamer Willensstärke …
„Wenn er um mich anhält, Mama, werde ich ihn
Walther Kabel: Die Antenne im fünften Stock. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1926, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Antenne_im_f%C3%BCnften_Stock.pdf/8&oldid=- (Version vom 31.7.2018)