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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

990. leiden. Als Bolizlav dies vernahm, plünderte und verbrannte er, indem er die Unseren ungefährdet ließ, die umliegenden Oerter. Von da zurückkehrend, belagerte er eine Stadt, Namens Nimci[1] und bekam dieselbe, ohne daß die Einwohner irgend Widerstand leisteten, sammt dem Herrn derselben in seine Gewalt. Den letzteren aber übergab er den Liuticiern zur Enthauptung. Nachdem diese ohne Verzug den gnädigen Göttern dies Opfer dargebracht hatten, entschieden sich alle für die Rückkehr. Darauf entließ Bolizlav, der wohl wußte, daß ohne seine Hülfe die Unseren vor den Liuticiern nicht sicher heim kommen könnten, dieselben den nächsten Tag in der Morgendämmerung, indem sie, wie man sie ermahnt hatte, sich sehr beeilten. Als das die erwähnten Feinde erfuhren, waren sie bemüht, den Unseren mit einer sehr großen Menge auserlesener Leute nachzusetzen. Bolizlav aber beschwichtigte sie durch folgende Anrede: „Ihr seid gekommen, mir zu helfen: so vollendet denn auch eure Güte gegen mich, wie ihr sie zu erweisen begonnen habt; denn seid gewiß, daß ich mein Leben daran setzen werde, daß jenen, die ich in meinen Schutz genommen und in Frieden entlassen habe, am heutigen Tage kein Leides geschehe. Ehre und Klugheit mahnen uns ab, uns die, welche bisher unsere guten Freunde waren, nun zu offenbaren Feinden zu machen. Wohl weiß ich, daß zwischen euch und ihnen große Feindschaft herrscht, aber es kommt eine weit passendere Zeit, als jetzt, eure Rache zu befriedigen.“ Durch diese Vorstellungen gezügelt, zogen die Liuticier, nachdem er sie noch zwei Tage lang bei sich festgehalten hatte, heim, indem von beiden Seiten bei ihrem Abzuge Freundschaftsbezeigungen und Erneuerung des alten Bündnisses Statt fanden. Und darauf wählten jene Ungläubigen, indem sie doch den Unseren nachsetzten, nur 200 Krieger aus, weil der Unseren ja nicht viele waren. Dieses wurde den Unseren aber bald von einem Lehnsmanne des Grafen Udo hinterbracht.

  1. Nimptsch. Der Name der Stadt fehlt im lateinischen Text und ist hier ergänzt, weil nach unserer Kenntniß nur diese eine an der Grenze von Polen in jener Gegend liegende Stadt gemeint sein kann.
Empfohlene Zitierweise:
Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/120&oldid=- (Version vom 25.9.2023)