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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


990. bewirkt, daß die Sonne verschlungen werde[1], oder demselben könne durch irgend ein weltliches Mittel abgeholfen werden, sondern daß es so ist, wie Macrobius[2] lehrt und andere Weise versichern: es rührt nämlich vom Monde her. Im nächsten Jahre nach dieser Sonnenfinsterniß aber erkrankte die Kaiserin und schied nach glücklich vollbrachtem Lebenslauf zu Niumagun [Nimwegen] am 15. Juni aus diesem Leben. Sie ward von Ewerger, damaligem Erzbischofe von Köln, in der St. Pantaleonskirche, welche Erzbischof Brun, der daselbst begraben liegt, auf seine Kosten hat erbauen lassen, in Gegenwart ihres Sohnes, der die dortigen geistlichen Brüder zum Heil der Seele seiner Mutter reich beschenkte, zur Gruft gebracht. Als das die erhabene Kaiserin Ethelheid erfuhr, suchte sie trauernden Herzens den Kaiser, der damals sieben Jahre regiert hatte, auf, um ihn zu trösten, und blieb so lange mütterlich für ihn sorgend, bei ihm, bis er selbst, verleitet durch die Eingebungen zügelloser Jünglinge, sie zu ihrer großen Betrübniß von sich wies.


11. Dieser erlauchten Frau, welche ihre hohe Geburt[3]

  1. Sonne und Mond in ihrem unablässigen, unaufhaltsamen Lauf durch den Raum des Himmels, schienen den Heiden zu fliehen und einem Verfolger zu weichen. Zwei Wölfe sind es, die ihnen nachstellen; der eine fährt hinter der Sonne, der andere hinter dem Monde her. Nichts war den Heiden fürchterlicher, als die nahende Verfinsterung der Sonne oder des Mondes, womit sie die Zerstörung aller Dinge und der Welt Untergang in Verbindung brachten. Sie wähnten, das Ungeheuer habe schon einen Theil des leuchtenden Gestirns in seinen Rachen gefaßt, und suchten es durch lauten Zuruf wegzuschrecken. S. J. Grimm, deutsche Mythologie, S. 401.
  2. Macrobius lehrt nämlich in seinem Commentar zu Cicero’s Traume I, 15 Folgendes: Wenn Sonne und Mond ihren Lauf zugleich auf derselben Linie zurücklegen, so ist nothwendig, daß eines von beiden zeitweilig Verfinsterung erleide: die Sonne, sobald ihr der Mond folgt, der Mond, wenn er Sonne gegenüber steht. Daher wird weder je die Sonne verfinstert anders als nur wenn der dreißigste Tag des Mondes da ist, noch kennt der Mond anders eine Verfinsterung, als nur am fünfzehnten Tage seines Laufes. Denn so geschieht es, daß entweder dem Monde, wenn derselbe der Sonne gegenüber steht, um von ihr sein gewöhnliches Licht zu empfangen, der auf derselben Linie befindliche Kegel der Erde entgegenliegt, oder daß der Mond, selbst der Sonne folgend, durch sein Entgegenliegen vor dem menschlichen Auge das Licht derselben fern hält. Bei der Verfinsterung also erleidet die Sonne selbst nichts, sondern nur unser Blick wird getäuscht. Der Mond aber erleidet an sich selbst eine wirkliche Verfinsterung, weil er von der Sonne das Licht nicht empfängt, vermittelst dessen er die Nacht erleuchtet.
  3. bene nata, nach Horaz. Oden IV, 4, 36.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/122&oldid=- (Version vom 25.9.2023)