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Seite:Die Chronik des Thietmar von Merseburg.pdf/136

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

können.“ Und alsbald warf sie sich in gewohnter Weise in der St. Marienkapelle vor dem Kreuze Christi nieder, und siehe da! das am Tage vorher bis auf den Grund ausgeleerte Weingefäß begann sich wieder zu füllen, daß es überfloß. Davon tranken dann nicht nur die Nonnen, sondern auch sehr viele andere Umwohnende und Hinkommende zum Preise Gottes noch lange Zeit.

Indeß ereignete es sich, daß Frau Hereswit, Ansfrids ehrwürdige Gemahlin, auf ihrem Gute Gilisa erkrankte. Sie begab sich darauf ihren Tod ahnend sofort auf den Weg nach Torna. Als sie dorthin vor großen Schmerzen nicht mehr gelangen konnte, blieb sie unterwegs im Hause eines Maiers. Dieser hatte, wie er uns selbst erzählte, sehr böse Hunde, deren Gebell der Kranken außerordentlich beschwerlich fiel. Als nun er, der Herr vom Hause, dies hörte, wollte er auf ihre dringende Bitte die Thiere sehr gern einsperren, oder im Nothfalle sie auch tödten, wofern er’s vermöchte. Da er es aber nicht vermochte, so geschah es, daß wunderbarer Weise keiner derselben mehr bellen konnte, bis die fromme Magd des Herrn in Frieden entschlafen war. Sie wurde von ihrem Lebens- und Leidensgefährten außerhalb des Münsters in der Nebencapelle begraben. Der Kammerfrau der Gräfin, welche seit vielen Jahren an der Wassersucht litt, kam es am Weihnachtsabend vor, als müsse sie Kerzen nach dem Grabe ihrer Herrin hintragen, was sie denn auch that. Nachher, als der Frühgottesdienst begann, ging sie aus, beichtete und ging vor Aller Augen gesund wieder heim.


24. Nach dem Hinscheiden der Gräfin aber beschloß ihr frommbeglückter Lebensgefährte, indem er nicht etwa ob der Vergänglichkeit irdischen Wesens in Verzweiflung gerieth, sondern sich dadurch vielmehr zu höherem Tugendschwunge beflügeln ließ, in seinem Sinne, sich dem Mönchsleben zu weihen, wo er eine recht strenge Ordensregel fände. Während er dies beabsichtigte, wurde 995 er von Kaiser Otto III. durch den Bischof Notger von Lüttich auf das dringendste aufgefordert, das Bisthum Utrecht zu übernehmen.

Empfohlene Zitierweise:
Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/136&oldid=- (Version vom 24.9.2023)