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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

Als er das hörte, ging er in die Capelle zu Aachen, und flehte 995 die Mutter Gottes an, es möchte diese Angelegenheit, wenn sie vom Herrn käme, der heiligen Ordnung gemäß ausgeführt werden; wo nicht, so möchte Gott in seiner Barmherzigkeit sie ganz vereiteln. Als aber auch Erzbischof Everger von Köln unter Beipflichtung seiner Suffragane dem Kaiser und ihm dazu rieth, ward er, er mochte wollen oder nicht, zum Bischof erwählt. Nicht lange nachher überwies er dem heiligen Martin fünf seiner Güter, und gewiß war derselbe ein zuverlässiger Bürge für die Wiedervergeltung dieses guten Werks. In seinem hohen Alter also, als seine Augen bereits dunkel wurden, ward er Mönch; 72 Arme speiste er täglich mit eigener Hand. Für die Schwachen unter denselben trug er, der blinde Mann, von einem Diener geleitet, unten aus dem Thale auf die Höhe des Berges eine Badewanne, und bereitete ihnen ein Bad, und reichte ihnen selbst die Kleider zum Wechseln und was sonst zur Pflege des Körpers gehörte, und entließ sie dann im Frieden; dies alles that er in der Nacht, um so seine guten Werke geheim zu halten. Auf demselben Berge gründete er ein Mönchskloster[1], von dessen Vorgesetzten er oft mit Ruthen gezüchtigt ward, wenn er es wagte, ihren Befehlen ungehorsam zu sein. Was er nur aufbringen konnte, gab er bis zum letzten Heller den Armen. Auch für die Vögel sorgte er in frommer Liebe; er ließ ihnen auf seinem Berge im Winter Gefäße mit Futter in die Bäume setzen. Unter seinem Oberkleide trug er beständig eine härene Kutte. Von Weihnachten bis zur Kreuzerfindung lag er krank, und in dieser ganzen Zeit verzehrte er nicht mehr als drei Brote. Als er sich seiner Auflösung näherte, erblickte er im Fenster ein Kreuz, welches an dasselbe erst nach Verdunkelung seiner Augen gemalt war; indem er nun dies gegen die Umstehenden bemerkte, lobte er Gott und sprach: „In deiner Umgebung, o Herr, ist ein Licht, das nie erlöschen wird.“ Zuletzt empfing er noch die Sterbesacramente. Er hatte in beständiger Erwartung seinen künftigen Richter lieben gelernt, und hatte,

  1. In Hohorst, bei Amersfoort, in der Nähe von Utrecht.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/137&oldid=- (Version vom 24.9.2023)