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Seite:Die Chronik des Thietmar von Merseburg.pdf/138

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

1010 weil er hienieden Furcht gehegt, die Furcht in der Ewigkeit verloren. In festem Vertrauen auf die Fürbitte der heiligen Mutter Gottes, der er sich und das Seine geweiht hatte, bezeichnete er sich so lange mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes, bis dem in Frieden entschlafenden die Hand sammt dem Geiste zur Ruhe kam.

Als er verschieden war, kamen die Utrechter barfüßig und mit Waffen in den Händen, und weinten und flehten und sprachen zu den Hausgenossen: „Gebet uns um Gotteswillen unseren Seelenhirten, damit wir ihn in seinem Bischofsitze bestatten.“ Darauf antwortete die ehrwürdige Aebtissin, seine fromme Tochter, sammt den Caplänen und Rittern: „Er muß an demselben Orte begraben werden, wo Gott ihm zu sterben vergönnt hat.“ Es kam zuletzt so weit, daß von beiden Seiten die Bewaffneten zu ernstem Kampfe auf einander beinahe losgegangen wären und mehrere das Leben verloren hätten, wenn nicht die Aebtissin sich vor ihnen nieder geworfen und sie um Ruhe gebeten hätte, wenn auch nur auf einen Augenblick. Während deß wollten die Ritter den Sarg von der Gegend, wo die Arbeitshäuser der Mönche standen, von dem Bache, der Ema heißt, auf den Gipfel des Berges bringen. Während sie das auszuführen bemüht waren, nahmen die Utrechter den Leichnam und trugen ihn, wie sie noch heutigen Tages schwören, außerordentlich leicht über den Bach. So wurde nach Gottes Fügung der stärkere Theil, die Ritter, überlistet. Nach Fortschaffung des heiligen Körpers ward ein wunderlieblicher Duft auf dem Wege verspürt, und erfüllte über drei Meilen weit, wie völlig glaubwürdige Leute versichern, den ganzen Luftkreis.

25. Berichten wir jetzt, wie Erzbischof Gisiler von Magadaburg aus Unvorsichtigkeit einen beklagenswerthen Verlust erlitt. Der Kaiser versah zum Schutze des Landes die Stadt Harnaburg [Arneburg] mit den nöthigen Befestigungen und übertrug dem Erzbischofe auf 4 Wochen den Befehl über dieselbe. Ihn nun forderten die Slaven, deren Hinterlist er nicht kannte, auf, mit ihnen zu unterhandeln, und er verließ, von einer kleinen Schaar

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/138&oldid=- (Version vom 24.9.2023)