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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


durch dessen unbegrenzte Gnade er, der vordem den Herrn eifrig verfolgt hatte, in sich ging, indem er auf wiederholtes Vermahnen 966 der geliebten Gattin das Gift des angebornen Unglaubens von sich gab, und in der heiligen Taufe den ererbten Sündenmakel abwusch. Und alsbald folgten die bis dahin schwachen Glieder des Volks ihrem geliebten Herrn und Haupte, und alle legten das hochzeitliche Kleid an, und wurden unter Christi Jünger gezählt. Jordan, ihr erster Bischof, hatte mit ihnen viele schwere Mühe, indem er sie durch Wort und That unermüdlich einlud, den Weinberg des Herrn zu bebauen. Da also wünschten sich einerseits Dobrawa und ihr Gemahl Glück, nunmehr in Wahrheit mit einander verbunden zu sein, andererseits aber freuten sich auch alle ihre Unterthanen, auch selbst in Christo einen geistigen Hochzeitsbund 967 geschlossen zu haben. Darnach gebar die tugendhafte Mutter einen Sohn, den sie nach ihrem Bruder Bolizlav nannte. Er war ihr sehr unähnlich und brachte vielen Müttern Verderben; er that gegen seine eigene Mutter zuerst die vorher verborgene Bosheit kund, und wüthete dann gegen das Reich, wie ich im Folgenden schildern werde.


977 36. Als Bolizlavs Mutter, die erwähnte Dobrawa, starb, 979 führte sein Vater eine Nonne aus dem Kloster Calva [Kalbe] heim, und zwar ohne päpstliche Erlaubniß. Sie hieß Oda und war eine Tochter des Markgrafen Thiedrich. Ihr Frevel war groß, denn sie hatte den himmlischen Bräutigam verschmäht, und ihm einen Kriegsmann vorgezogen; das mißfiel allen Kirchenhäuptern und am meisten ihrem Bischofe, dem hochwürdigen Hilliward. Allein zum Heile des Vaterlandes und zur Befestigung des nöthigen Friedens kam es darüber nicht zum Bruche zwischen uns und den Polen, sondern vielmehr zu einer fördersamen friedlichen Ausgleichung. Denn durch Oda ward die Schaar der Jünger Christi vergrößert, die Menge der Gefangenen dem Vaterlande wiedergegeben, den Gefangenen wurden die Fesseln gelöst und den Schuldigen die Kerker geöffnet. So ward ihr dann, hoffe ich, die

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/152&oldid=- (Version vom 24.9.2023)