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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


46. Unter der Regierung Otto’s III. ward Graf Albi, ein Sohn Markgraf Guncelins, von seinem Vasallen im Walde aus einem nichtigen Grunde ermordet. Seine Grafschaft empfing sammt dem an der Mulde liegenden Lehen der Erzbischof Gisiler von Magadaburg. Dessen Kämmerer, mein geistlicher Mitbruder Gunteri, der beim Kaiser viel galt und demselben häufig treue Dienste leistete, kam nach dem Tode des Bischofs Dodo von Asanbrun [Osnabrück] nach Italien. Als er nun dort, vom Kaiser 996 sehr gnädig empfangen, in allen Punkten, die er ihm vorzutragen hatte, Gehör fand, erschienen ihm in der folgenden Nacht nach seiner Unterredung mit dem Kaiser die heiligen Märtyrer Crispin und Crispinian, und fragten, ob er ihr Bisthum annehmen wolle? Er antwortete ihnen: „So Gott will und es euch gefällt!“ Sofort bekam er von jedem von ihnen einen Speerstich, und als er darauf erwachte, konnte er ohne fremde Hülfe nicht von seinem Lager aufstehen. Am anderen Tage erfüllte der Kaiser, als er von seiner Krankheit hörte, sein Versprechen treu. Darauf kehrte Gunteri, nachdem er wieder Kräfte gewonnen, nach Hause zurück, und lebte noch unter großen Schmerzen beinahe vier Jahre nach seiner Bischofsweihe, indem er am 25. Nov. das Zeitliche 1000 mit dem Ewigen vertauschte. Ich weiß nicht, ob Gott und den heiligen Märtyrern etwas an ihm mißfiel; das aber habe ich gesehen und von Anderen gehört, daß er ein gerechter, gottesfürchtiger Mann war, von mildem Sinne und keuschem Wandel, und die Bewohner der Gegend, wo er jetzt ruht, versichern, daß er bei Gott sehr viel gelte, wie das viele Wunderzeichen beweisen. Ich aber weiß das in Wahrheit, daß Gott einen Schuldigen um desselben Fehles willen nicht zweimal straft.


47. Damit du, mein Leser, die Verehrungswürdigkeit der eben genannten Märtyrer, welche aus älteren Büchern schon genugsam erhellt, auch durch mich erkennest, so will ich hier einen Vorfall berichten, den mir mein Bruder Brun [1], der, in Neu-Corvei

  1. Der vierte Sohn des Grafen Sigfried von Walbeck, später Bischof von Verden.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/161&oldid=- (Version vom 24.9.2023)