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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

1003 Anmaßung, noch von des Markgrafen Heinrich von Baiern kühnen Ansprüchen etwas vermerken, um seiner Umgebung, wie es die Erhabenheit der Festesfeier verlangte, ein heiteres Antlitz zu zeigen. Hier ehrte er auch den Herzog Otto und den Markgrafen Ernast, welche von dem unglücklichen Treffen heimkamen, mit königlichen Gaben und durch väterlichen Zuspruch. Auch empfing er milden Sinnes die Abgeordneten der Rederarier[1] und Liutizen und stimmte diese bisher Widerspenstigen durch schmeichelhafte Geschenke und freundliche Verheißungen so um, daß sie aus seinen Feinden seine besten Freunde wurden.


20. Als der König dann die Betwoche[2], welche ja jeder Christ getreulich beobachten soll, zu Merseburg feierte, ward ihm die offene Empörung Herzog Bolizlav’s und Markgraf Heinrichs gemeldet. Das nächste Pfingstfest [16. Mai] verlebte er darauf noch zu Halverstidi [Halberstadt], und dann brach er nach Baiern auf, in der Absicht, zuerst den mit Bolizlav’s Hülfe Widerstand leistenden Heinrich zu überwinden, und darnach die weitverzweigten, hinterlistigen Pläne der beiden zu zerstören. Dazu erfuhr er noch, daß der von ihm noch kurz vorher geehrte Ernast und Herr Bruno, sein Bruder, mit dem Markgrafen Heinrich sich treuloser Weise verschworen hätten, indem sie nicht wußten, daß es heißt:

Muth sonder Klugheit stürzet durch eigene Last[3].

Der König aber zog, die Anmaßung jener zu dämpfen, von allen Seiten seine Verbündeten zusammen, fiel zu Anfang des August in Heinrichs Gebiet ein, verheerte es und zwang ihn, daß er, er mochte wollen oder nicht, außerhalb der Burg sich, wo er konnte, verborgen halten mußte. Da möchte nun einer, der den Beweggrund zu solchem Uebermuthe kennt, sagen, Heinrich habe so handeln müssen; es stehe der Gewalt des Herrn nicht zu, einem treuen Diener ein so fest gegebenes Wort wieder zu entziehen und

  1. Die Rederarier saßen wahrscheinlich im heutigen Mecklenburg-Strelitz.
  2. die Woche nach dem Sonntag Rogate, der 1003 auf den 2. Mai fiel.
  3. Horaz Od. III, 4, 65, wo jedoch statt Muth, Tapferkeit (virtus), Gewalt, Kraft (vis) steht, was hier offenbar auch besser paßte.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/194&oldid=- (Version vom 29.9.2023)