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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

dadurch auch die Herzen der übrigen Unterthanen sich zu entfremden. 1003 Dem entgegne ich: Es ist hienieden keine Obrigkeit als nur von Gott, und wer sich gegen sie erhebt, läuft Gefahr, Gottes Zorn auf sich zu laden. Das plötzliche Auffahren eines leidenschaftlichen Sinnes muß durch das Steuerruder der Geduld abgewandt werden und man muß in demüthigem Gebete auf wahrhaft heilbringenden Trost harren. Und ich halte es für besser, nun Tag für Tag höher zu steigen, als plötzlich einem unabwendbaren Sturze zuzueilen. Gern möchte ich meinen Vetter irgendwie vertheidigen, aber ich wage nicht, die Wahrheit, die von allen Christen hochgeachtet werden muß, zu beflecken. Gar oft bewähren sich die Sprichwörter unserer Altvordern: alte Missethat gebäre neue Schande. Denn dieses Markgrafen Vater[1] stand dem Vater des Königs oftmals nicht wie dessen Vasall, sondern wie dessen offener Feind gegenüber, und hielt zum Kaiser (wie selbst bezeugte) nur wegen der durch besondere Eidschwüre bekräftigten, vom Kaiser ihm zugesagten Gunst. Ebenso war auch dieser, der jüngere Markgraf, bis zu Ende der Regierung des letzten Otto demselben getreu, und diente seinem Herrn und Kaiser bis in diese unglücklichen Zeiten rüstig. Dem Könige aber lag tief im Sinne Heinrichs und seines Vaters unbegrenzter Haß gegen ihn und sein Haus. Indeß hoffe ich, daß er dies alles um Christi Liebe willen stets ungestraft gelassen hätte, hätte er jenen nicht so voll Grimmes und verbunden mit anderen seiner Widersacher zu so offenem Widerstande gegen sich aufstehen sehen. Obwohl nun übrigens Markgraf Heinrich damals an diesem Verbrechen allein Schuld zu sein schien, so ist er doch von Anfang an nicht ohne fremden Rath an’s Werk gegangen. Und weil nach den Grundsätzen dieser Welt ein Verräther zu heißen großen Schimpf bringt, so wollte er lieber alles seufzend in seinem Bewußtsein bewahren, als seine eigene Strafbarkeit durch Beeinträchtigung Anderer vergrößern. So eröffnete denn jener Mann, der vorher so mannhaft das Vaterland vor dem Feinde zu schützen

  1. Berthold, den Otto II. zuerst 976 mit der Mark auf dem Nordgau belehnte; vgl. oben V, 8.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/195&oldid=- (Version vom 29.9.2023)