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Seite:Die Chronik des Thietmar von Merseburg.pdf/203

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

übertrug. Ueberdies verschaffte er ihm die Gunst des Herzogs und 1004 des Kaisers in dem Grade, daß er nicht zweifelte, Tagino werde, wenn er dereinst nach Gottes Willen von hinnen scheide, sein Nachfolger werden. Und als nun Wulfgang in bewundernswerther Heiligkeit seine irdische Laufbahn zurückgelegt hatte und in eine tödtliche Krankheit verfiel, da rief er seinen geliebten Tagino zu sich und sprach: „Mein Sohn, lege deinen Mund auf den meinigen und empfange so von Gott meinen Athem eingehaucht, auf daß du, wenn du in auflodernder Jugendhitze hinsichtlich der zwiefachen Liebe erkaltest, von der Macht des Höchsten und durch meine Zuneigung Mäßigung deiner Leidenschaft verliehen bekommest. Und sollte dir meine Würde vielleicht vorenthalten werden, so wirst du zweimal fünf Sonnenjahre, nachdem ich meine Sünden vor Gott abgebüßt haben werde, dich zuverlässig einer größeren erfreuen.“ Hierauf ließ sich der heilige Mann, da er die Nähe seines Endes im Geiste voraussah, in die Kirche schaffen, und nachdem die Gebete und was sonst den Brüdern oblag, vollbracht war, gab er, sich sammt den ihm Anvertrauten dem Allgütigen anempfehlend, am 30. September [994] in Frieden seinen reinen Geist auf. Tagino aber, der darnach von allen zum Nachfolger Wolfgangs erwählt war, erschien vor dem Kaiser, erhielt jedoch das Versprochene nicht, sondern derselbe verlieh das Bisthum Regensburg seinem Capellan Gebehard. Diesem wurde Tagino nun zwar auf das beste anempfohlen und von ihm auch höchlich geehrt; jedoch blieb er, weil gutes und böses vereint nirgendwo hinpassen, wegen der Ungleichheit ihres beiderseitigen Characters nicht lange bei demselben. Er schloß sich nämlich alsbald dem damaligen Herzoge Heinrich an, dessen Wohlgefallen er wegen seines keuschen Sinnes und Wandels erregte und dem er bis zu dem oben erwähnten Tage Tag und Nacht auf eine den Bösen lästige, den Guten beifällige Weise diente, indem er Gott und Menschen Genüge zu thun sich bestrebte. Und darum und aus Liebe zu jenem, von ihm außerordentlich hoch gehaltenen Manne ward vom Könige dessen Prophezeihung erfüllt und bewährt, indem damals, wie mir Herr Tagino selbst oft

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/203&oldid=- (Version vom 29.9.2023)