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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


erhört werde,1004 so müsse von ihnen jegliche Gabe von Herzen dargebracht werden, und müßten sie allen ihren Schuldigern vergeben, damit sie nicht, wie jener schlechte Knecht, Pein litten und Qual [Matth. 18]. Und also schließend, sprach er zuletzt zum Könige: „Dich beschwöre ich im Namen und bei der Liebe dessen, der seinem Schuldiger die zehn Tausend Pfund erließ [Math. 18, V. 24], d. h. der den Beschnittenen, den Juden, die Uebertretung seiner Gebote erlassen hat: erbarme dich, theuerster Herr, Heinrichs, des ehemaligen Markgrafen; er ist, so hoffe ich, von wahrer Reue erfüllt; löse seine Bande, verleih ihm Gnade, damit du mit um so reinerem Gemüthe heute zu Gott beten kannst mit dem Gebete: Vergib uns unsere Schuld u. s. w.“ Der König, erschüttert von dieser unter Thränen vorgebrachten Ermahnung, versprach, zuverläßig also thun zu wollen und vollzog auch, als er heim kam, voll Barmherzigkeit sein Versprechen.


11. Als er dann dort alles angeordnet hatte, sandte er die Baiern heim. Er selbst aber zog, begleitet von dem neuen Böhmenherzoge, in einem unsäglich mühseligen Marsche in das ihm zunächst gelegene Milziener Gebiet und belagerte die Burg Budisin[1]. Hier wäre er, als er eines Tages seine Getreuen zum Sturme auf die Mauern ermunterte, beinahe von einem Schützen von den Zinnen herab verwundet worden, hätte ihn die göttliche Vorsehung nicht behütet. Dieser letztere Umstand aber wurde dem, der neben ihm stand, verderblich, indem so das Geschoß des Feindes an einem andern sein Ziel erreichte. Der König aber erhob preisend und dankend sein Herz zum Herrn, der ihm seine unwandelbare väterliche Liebe und Obhut unverdientermaßen aufs neue offenbart hatte. Die Burg aber wäre – das Feuer war schon herangetragen – in Trümmer zusammengestürzt, hätte nicht ein unglückseliger[2] Befehl des Markgrafen Gunzelin es verhindert.

Empfohlene Zitierweise:
Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/219&oldid=- (Version vom 27.2.2023)
  1. Budissin oder Bautzen an der Quelle der Spree im Lande der Milzieni.
  2. Thietmar will die Burg vernichtet sehn, entweder aus Begeisterung für den König, und weil so viele der Königlichen vor ihren Mauern geblieben waren, ober auch, weil ihre Existenz gefährlich war, da sie bald wieder in Besitz der Polen kam, s. unten Kap. 24.