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Seite:Die Chronik des Thietmar von Merseburg.pdf/223

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

und den heftigen Unwillen der Schwester der Königin, 1005 der Liudgarda[1] zu besänftigen. Auch erließ er in seiner Pfalz und in allen Grafschaften des Reichs ein Aufgebot, bei Strafe der Acht sich zu einem Zuge nach Polen und zur Versammlung in Liezca[2] einzufinden. Das Heer kam denn auch zur bestimmten Zeit, nämlich am 15. August, am bestimmten Orte zusammen. Der König aber, welcher zu Magadaburg Mariä Himmelfahrt feierte, setzte am selbigen Tage nach der Messe und dem Festmahle in Begleitung der Königin zu Schiff über die Elbe.


15. In diesen Tagen wurde, nachdem Ricdag, Abt zu St. Johannisberg[3], wegen einer gewissen Anklage seiner Würde vom Erzbischof Tagino von Magadaburg entsetzt war, Alfker, der Vorsteher der Mönche, welche zu Palithi [Pölde] Christo dienten, an seine Stelle gesetzt; jedoch ward die festgesetzte Ordnung des kirchlichen Dienstes auf eine bejammernswerthe Weise vernichtet, indem aus dieser Abtei eine Propstei gemacht wurde; ein Umstand, woraus sich schon das Elend folgern ließ, das noch kommen sollte. Und auch dies, was im Laufe der Zeiten hereinbrach, hätte es doch die rechte Hand des Höchsten verändert! [Psalm 77, 11]. Was also die Gründer dieser heiligen Stiftung, welche in jeglicher Frömmigkeit die Menschen von heutzutage gar weit übertreffen, mit aller Anstrengung eingerichtet und nach ihrem bestem Ermessen zur Ausführung gebracht und angeordnet hatten, das ist nun zu unserer Zeit auf Antrieb der Bösen nicht zum Guten, sondern – das befürchte ich – zum Bösen verändert worden. Wäre doch das unseres besonderen Nutzens wegen nicht geschehen! – Es ist leider eine Wahrheit, daß diejenigen, welche wegen ihrer äußeren Haltung und Lebensweise, und der neuen blendenden Art ihres Auftretens gepriesen werden, in Wirklichkeit oft nicht das sind, was sie zu sein vorgeben. Und die Schrift lehrt: Erheuchelte Gerechtigkeit ist nicht Gerechtigkeit, sondern doppelte Ungerechtigkeit[4]. Jegliche menschliche

  1. Der Wittwe des von den Friesen erschlagenen Grafen Arnulf von Holland.
  2. Leiskau, südöstlich von Magdeburg.
  3. Kloster Berge bei Magdeburg.
  4. Worte des h. Augustin zu Psalm 63.
Empfohlene Zitierweise:
Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/223&oldid=- (Version vom 29.9.2023)