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Seite:Die Chronik des Thietmar von Merseburg.pdf/240

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


1008 ich indeß das Angebotene völlig aus, so befürchte ich meines theuren Vorgesetzten gewohnte Gunst zu verscherzen, und doch habe ich außer ihm auf keine Unterstützung zu rechnen, während ich von ihm nicht nur dies, sondern selbst mehr als dies erlangen kann. Nach dem Tode des Bischofs also werde ich, wenn es Gott gefällt und ich am Leben bleibe, den von ihm bestellten Behörden gegenüber 1009 erfüllen, was ihm gefällt.“ Der König bekam in Franconevord [Frankfurt] Nachricht vom Absterben des Bischofes und ließ sogleich die schuldige Gedächtnißfeier für ihn anstellen. Schon damals aber wandte er auf Antrieb gewisser Personen seinen Sinn von mir ab, besseren Entschlüssen zu; er wollte nämlich einen gewissen Ethelger, einem wohl verdienten Manne, jene Würde verleihen. Als das des Königs Vertrauter Tagino wieder erfuhr, arbeitete er aufs eifrigste diesem Plane entgegen, und erlangte es durch unermüdetes, dringendes Bitten, daß der König einwilligte, mich durch den Propst Gezo von Halberstadt zu sich rufen zu lassen. Dieser kam zu mir auf mein Gut Retmerslevo[1], und in jener Nacht sah ich einen Bischofstab an meinem Bette stehen und hörte, wie jemand mich frug: „Willst du die Merseburger Kirche übernehmen?“ Ich antwortete: „Wenn Gott und der Erzbischof, der mich kommen heißt, es wollen, ja.“ Da fuhr die Stimme fort: „Hüte dich: wer des heiligen Laurentius Unwillen erregt, verliert auf der Stelle den Verstand.“ Sogleich antwortete ich: „Davor bewahre mich der Beschützer aller Menschenkinder, Christus, daß ich hierdurch oder sonst irgendwie die Majestät des allmächtigen Gottes beleidigen und der Fürbitte der Heiligen durch meine Schuld verlustig gehen sollte.“ Und als ich nun aufwachte, erstaunte ich, sprang sofort aus dem Bette, und sah den hellen Tag in die Fenster scheinen, und siehe! da trat der ebengenannte Propst Gezo in mein Gemach und kündigte mir unter Vorzeigung der beiden Briefe an, ich würde aufgefordert, am Sonnabend in der heiligen Woche in Augsburg zu erscheinen. Ich kam nach Magadaburg, und indem ich mit

  1. Rotmerslevo, auch Retmerslevo, jetzt Rotmersleben, liegt etwas nordwestlich von Magdeburg.
Empfohlene Zitierweise:
Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/240&oldid=- (Version vom 30.9.2023)