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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

1009 eigener Unbeständigkeit, theils in Folge des längeren Siechthums meines Vorfahren. Von da reiste ich nach Merseburg. Hier wurde ich von den geistlichen Brüdern ehrenvoll empfangen und dann vom Bischofe Erich [von Havelberg] inthronisirt. Der nächste Tag war ein Sonntag. An diesem sang ich Messe für die Sünder, lehrte die herbeigekommenen, der Vermahnung bedürftigen Christen, und gewährte den ihre Sünden beichtenden kraft göttlicher Vollmacht, obwohl selbst ein schwacher Mensch, Vergebung derselben. Am Montage [Mai 23] begannen die Bettage, und ich reiste auf Geheiß meines Erzbischofs nach Magadaburg, wo ich am Mittwoch von meinen geistlichen Brüdern nicht wie ich es verdiente, sondern wie ihre außerordentliche Liebe sie trieb, empfangen wurde. Das hehre und herrliche Geheimniß der Himmelfahrt Christi [Mai 26] feierten wir nach Kräften in gemeinsamer Andacht.


30. Von dort begab ich mich nach Wallibizi [Walbeck]; wo ich als Propst den Gott und der heiligen immerwährenden Jungfrau Maria dienenden geistlichen Brüdern bisher sieben Jahre, drei Wochen und drei Tage vorgestanden hatte, indem ich diese freilich sehr große Last leider noch vermittelst der Simonie[1] mir erkauft hatte, zwar nicht um Geld, wohl aber um ein Landgut, welches ich meinem Oheim abtrat. Darin bin ich also sehr schuldig, indeß hoffe ich auf die Nachsicht des gestrengen Richters, weil ich dies mehr darum gethan habe, um die Heerde des Herrn zu hüten und um das, was meine Vorfahren gestiftet, zu bewahren. Darum, mein Leser, beschwöre ich dich, daß du den Zusammenhang der nachfolgenden Erzählung erwägen und nach Beschaffenheit der Umstände über meine Handlung urtheilen und des künftigen Richters schreckliches Antlitz durch thränenreiches Flehen für mich besänftigen mögest. Mein Großvater Liuthar, von dem ich

  1. Unter Simonie versteht man die Erwerbung geistlicher Aemter oder Pfründen auf unrechtmäßige Weise, also durch Kauf, Bestechung oder sonstige Schleichwege, so genannt nach Apostelgesch. 8, 9.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/244&oldid=- (Version vom 30.9.2023)