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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

mein Amtsvorgänger in Folge eines von ihm beliebten Tausches seine Einwilligung dazu gab. In diesem Amte aber habe ich als ein träger Arbeiter mehr der Ungerechtigkeit gedient, als der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, und nie habe ich mich bemüht, statt dessen würdige Früchte der Buße zu sammeln. Ich klage hiemit aber keinen meiner Verwandten an, sondern ich wünsche auf das innigste, daß ihnen alles Böse mit Gutem vergolten werden möge. Nach dem Tode meiner Schwägerin bat mich mein Bruder, daß ich seiner Frau [in meiner Kirche] die erwünschte Ruhestätte bereiten möchte. Da ich aber wußte, daß an eben der Stelle bereits der ehrwürdige Willigis begraben lag, so weigerte ich mich zuerst, dies zu gewähren, zuletzt aber verletzte ich Recht und Scheu, um ihm nachzugeben, und ich Unglücklicher verstand mich zu etwas, was ich doch lieber nicht gethan hätte! Denn was selbst die Heiden für ruchlos halten, das habe ich, ein Christ, gethan: ich habe das Grab meines Amtsbruder öffnen und dessen Gebeine hinauswerfen lassen; auch einen silbernen Kelch, den ich in der Gruft fand, wollte ich veräußern und den Ertrag unter die Armen vertheilen lassen, aber ich fand ihn nachher nirgends. Freilich erkannte ich an der Krankheit, die mich bald nachher befiel, wohl, daß ich mich nur allzuschwer gegen Gott versündigt hatte. Nach dem ich aber diese mit des Allgütigen Hülfe überwunden hatte, reiste ich nach Köln, um dort meine Andacht zu verrichten. Da hörte ich einst in der Nacht ein außerordentliches Getöse und fragte, wer das wäre? Alsbald antwortete mir eine Stimme: „Ich, Willigis, bin hier, der ich durch deine Schuld rastlos umherirre.“ Sofort erwachte ich, und Schrecken ergriff mich, und bis auf den heutigen Tag zittere ich ob dieser That im Gefühle meiner Schuld, und werde nie aufhören zu zittern.


31. Um die Weihe eines Presbyters zu erlangen, ward ich vom Herrn Tagino nach Alstidi [Alstedt] berufen, und unterwegs beichtete ich mein verübtes Vergehen; doch aber habe ich, was ich damals zur Abbüßung desselben versprach, nicht nach meiner

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/246&oldid=- (Version vom 30.9.2023)