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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


1012 an die heilige Dreieinigkeit und an den siebenartigen heiligen Geist,[1] nach eines jeden Gläubigen Hinscheiden durch eine Seelenmesse gefeiert werden muß. Darauf ward der gesegnete Leichnam von da nach der Grabesstätte hingetragen unter Gesang und Wehklage, und ward bestattet an der Westseite im Chor vor der Krypta, die er selbst erbaut und geweiht und in der er während seiner Lebzeit gewünscht hatte beerdigt zu werden, und zwar vor dem Altare, wo er selbst oft in thränenreichen Gebeten sich ergoß. Walterd aber stattete den bis dahin noch nicht eingesegneten Ort, wo Tagino jetzt ruht, für seinen theuren Herrn auf eine der Seele heilbringende und allen Eintretenden in die Augen fallende Weise sorglich aus. Weil aber alle Seligen ob ihrer Tugenden selbst zwar der nie endenden Gemeinschaft des Herrn genießen, im Gedächtniß der Welt aber nur durch die Schrift fortleben, so wäre es nicht Recht, eines so großen Kirchenvaters ruhmreichen Wandel mit Stillschweigen zu bedecken, sondern es ist vielmehr Pflicht, denselben im Lichte der Wahrheit allen Christen zum Frommen zu schildern.

Tagino war gerecht und gottesfürchtig und von bewundernswürdiger Liebe, wohlthätig und treu, keusch und mild, ein Canonicus in seinem Aeußern, in seiner ganzen Lebensweise aber ein einfacher Mönch. Laster tadelte er bei Allen, um sie zu bessern, mit Schärfe, während er dagegen alles Gute lobte. Es hat heutzutage keinen Erzbischof oder Bischof gegeben, der mit seinen geistlichen Mitbrüdern auf einem freundlicheren Fuße verkehrt hätte. Er war ihnen mit wahrer Liebe zugethan und lobte sie vor den Leuten. Gleich in seinem ersten Amtsjahr begann er dem Herrn einen Tempel zu bauen. Den Presbytern und Diakonen setzte er für ihre Kleidung acht, den Subdiakonen und Chorknaben aber vier Seckel mehr aus, als sie bisher gehabt hatten. Wenn nicht Krankheit ihn hinderte, sang er täglich eine Messe und das Psalterium, und weil er wegen Körperschwäche nicht fasten konnte, so ersetzte er das durch die Größe seiner Almosen. An Nachtwachen that er über die Maßen viel. Weil er wegen schlechter Zähne

  1. S. Jesaias XI, 2.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/262&oldid=- (Version vom 2.10.2023)