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Seite:Die Chronik des Thietmar von Merseburg.pdf/264

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


1012 der gerade mit der Leichenfeier des geliebten Vorgesetzten eifrigst beschäftigt war, rufen; verlieh auch meinem Vetter Thiedrich zwanzig Pfund Silber, außer dem Lebensunterhalt, zu einer festen Seelenmesse. Auch ich bekam die Weisung mit ihm zu kommen. Ich reiste also mit Waltherd, und wir kamen am Sonnabend Abend [Juni 14.] in Grona[1] an. Bald erschienen wir vor dem Könige, der uns mit großer Herzlichkeit empfing und uns nach einer kurzen Unterredung aufforderte, unsere Herberge aufzusuchen. Wir schlugen außerhalb der Stadt bei dem Gehölze, wo jetzt die St. Alexanderskirche steht, unser Nachtlager auf. Der nächste Tag [Juni 15] war ein Sonntag und das Fest des heiligen Märtyrers Veit. Ich sang ganz früh die Messe mit meinen geistlichen Brüdern, und darauf gingen wir, einem ergangenen Rufe folgend, in die Stadt, nach dem Palaste des Königs. Hier ward Waltherd allein vorgelassen, und der König und er besprachen sich bis zur dritten Hora allein mit einander. Da aber kam Waltherd heraus und hatte einen Ring an seiner Rechten, den er uns mit den Worten zeigte: „Sehet, da habt ihr ein Pfand der kommenden Liebeserweisung!“ Und darauf erschienen wir alle vor dem Könige und erwählten, vom König aufgerufen, indem er selbst den Waltherd zuerst empfahl, denselben zu unserm Vorgesetzten, und alle anwesenden Großen des Reiches stimmten uns bei; bald erhielt er denn auch vom König den Hirtenstab. Nachdem er der Majestät des Königs den Eid der Treue geleistet hatte, ward er in die Kirche geführt, welche der König erbaut und sein Vorgänger im Amt geweiht hatte, und die Versammelten stimmten den göttlichen Lobgesang an. Darauf wandte ich mich an die Liebe des Königs mit dem Anliegen, er möchte doch in Betreff der Bedürfnisse meiner Kirche mir eine kurze Unterredung gewähren, und meiner Bitte gemäß gelobte er mir auf das bestimmteste seinen Schutz. Auch meinen Vetter Thiedrich überwies er auf dessen Wunsch in den Dienst des Erzbischofs.

  1. Gronau an der Leine unweit Hildesheim, eine königliche Pfalz.
Empfohlene Zitierweise:
Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/264&oldid=- (Version vom 2.10.2023)