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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

1012 ich weiß nicht was, zu seiner Linken sah, auf eine nachdrückliche Weise, um sich zu schützen, das Zeichen des heiligen Kreuzes, und verzog, Körper und Antlitz abwendend, das Gesicht wie zum Weinen, bald darauf aber entfalteten sich seine Züge wieder zur Freudigkeit. Als ich das sah, ging ich von Trauer überwältigt hinaus und währenddeß hoben die Anwesenden den beinahe schon Verschiedenen sofort aus dem Bette und legten ihn auf einen Teppich. Als man dann die Kerzen angezündet hatte, ward ich gerufen, und sah ihn bereits mit der Stola angethan im Todeskampfe begriffen. Auf seiner Brust lag ein Crucifix, in den Händen hatte er Asche und unter ihm lag eine härene Kutte, wie Bischof Eid das angeordnet hatte. Und als der Tag bereits über die Mitte hinaus in seine zweite Hälfte eingetreten war, ging die Seele des Sterbenden, während man ihm noch Weihrauch spendete, zu ihrem Schöpfer hinüber, von wannen sie gekommen war, verlassend, was vergänglich war, am 12. August. Wie nun alle Anwesenden weinten und beteten, unterstützte ich Unglücklicher sie dabei nicht, wie es doch meine Pflicht war; was mir dabei vor der Seele schwebte, kann ich keinem verrathen; darum betet nur mit mir, ihr Gläubigen, daß der Herr, dem kein Geheimniß verborgen ist, weder dem Verstorbenen, noch mir, dies zum Schaden gereichen lasse. Nachdem darauf die Eingeweide aus dem Körper genommen, und innerhalb des Raumes zwischen der Kirche und dem Sterbehause beerdigt waren, ward die Leiche bereitet und vor den Altar hingesetzt. Als dann eine Seelenmesse gehalten war, speisten wir zu Mittag und geleiteten die Leiche an demselben Tage noch bis nach Coniri[1]. Unterwegs kam uns seine trauernde Hausgenossenschaft entgegen. Am andern Tage, als wir bei dem am Fuße des St. Johannisberges gelegenen Dorfe ankamen, erschien die ganze Geistlichkeit des Erzstiftes, weinend und trauernd, und eine große Schaar von Juden und Waisen, deren Vater er gewesen war, bezeugten ihren Schmerz mit lauten Klagen, und als wir dann mit dem Leichenzuge die Hauptkirche betraten, empfingen uns

  1. Könnern, nordwestl. von Zribenz, auf der linken Seite der Saale.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/268&oldid=- (Version vom 2.10.2023)