Zum Inhalt springen

Seite:Die Chronik des Thietmar von Merseburg.pdf/269

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

sämmtliche Freunde und Erben des Verstorbenen, 1012 indem sie in bitterer Betrübniß die Hände zum Himmel erhoben, in wehmüthiger Weise. Und wer hätte damals bei diesem Anblick nicht mit getrauert? Und doch kam all dieses Klagen dem eben erlittenen Verluste nicht gleich.


46. Indem wir Mitglieder des Capitels darauf sämmtlich zusammentraten, erwählten wir alle mit Ausnahme des Benno, meinen Vetter [Thiedrich] zum Nachfolger des Verstorbenen, nicht weil wir erwarteten, daß wirklich etwas daraus werden konnte, denn er war zu jung, sondern nur um das Recht der Wahl uns zu bewahren, und aus Liebe zum verstorbenen Erzbischofe Tagino[1]. Als es aber Abend geworden war, kam Bischof Arnulf [von Halberstadt], und beförderte die ganze Sache aus allen Kräften. Nachdem dann am folgenden Tage die Wahl aufs Neue vorgenommen war, ward die Leiche des Erzbischofs zur Rechten seines Vorgängers im südlichen Flügel der Kirche bestattet, und zwar am Tage vor Mariä Himmelfahrt [August 14].

Als die Königin das Vorgefallene erfuhr, meldete sie es durch ihren Mundschenken Geco dem Könige, der mit dem Heere vor der Stadt Metz lag. Dieser war voll Staunens und fragte, wie denn nun bei uns die Sachen ständen, worauf er denselben Abgesandten sofort wieder an die Königin zurückschickte mit dem Auftrage, sie möchte statt seiner des Reiches wahrnehmen.

Des Erzbischofes Waltherd Grabschrift[WS 1] aber, die nicht in einen Stein, sondern in ein treugedenkendes Herz eingegraben werden muß, vernimm jetzt, mein Leser. Obwohl Walthard „an Gewalt hart“ bedeutet, so war er doch nur strenge von außen, im Innern jedoch sehr milde. Auf Gott und seinen Nächsten sah er in unablässiger Furcht und gerechter Liebe hin. Die Gebrechlichkeit des Fleisches sühnte er durch häufige bittere Thränenfluth und durch unermeßlich reiche Almosen. Durch beiderlei Vorzüge ausgezeichnet,

  1. Thiedrich war ein Zögling des Tagino.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Gradschrift
Empfohlene Zitierweise:
Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/269&oldid=- (Version vom 2.10.2023)