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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


1013 von Geistlichen und Laien, demüthig bittend, und flehte, wie schon früher, indem sich treue Freunde für ihn verwandten, um des Königs Gnade in Betreff der Vollziehung seiner Wahl. Der König aber erhörte sie gar nicht, sondern verlieh seinem Caplan Unwan das Erzbisthum unter dem freilich nicht aus eigenem Antriebe hervorgegangenem Beifalle derer, die dorthin gekommen waren, indem er den Oddo in seine Dienste nahm und ihn durch Versprechung großer Liebesbeweise beschwichtigte. Darauf ward auf Befehl und in Gegenwart des Königs Unwan vom Erzbischofe Gero von Magadaburg, unter Beihilfe der Bischöfe Ekkihard [von Schleswig] und Thurgat[1] zum Erzbischofe gesalbt. Wenige Tage nachher erschien Misico, Bolizlav’s Sohn, mit großen Geschenken, huldigte dem Könige und bekräftigte seine Treue mit einem Eidschwur. Dann ward er mit großen Ehren entlassen und auf das beste unterhalten, damit er bald wiederkommen möchte.

In jenen Tagen erhob sich nach Sonnenuntergang ein großes Unwetter und setzte uns alle sehr in Bestürzung. Denn es zerstörte die Kirche außerhalb der Stadt, die unter Otto’s I. Regierung aus rothem Holze aufgeführt war. Auch verzehrte eine Feuersbrunst viele Güter des Erzbischofes.

Ferner kam es dem Könige zu Ohren, daß mein Vetter, Markgraf Wirinhari, mit Ekkihard, dem Bruder des Markgrafen Heriman [von Meißen], ohne dazu Erlaubniß vom Könige erhalten zu haben, zum Bolizlav sich begeben, und dort viele, die königliche Gnade verwirkende Reden geführt, auch von demselben zu Hause oft geheime Boten empfangen habe. Das alles sehr übel vermerkend, befahl der König beiden, vor ihm zu erscheinen. Da sie es nun nicht wagten, diesem Gebote zu gehorchen, so ward ihre sämmtliche Habe in Beschlag genommen und sie als gegen den König widerspenstige Unterthanen geächtet. Mein Vetter erkaufte zuletzt doch noch des Königs Gnade und sein Heimatsrecht mit seinem

  1. von Scara in Schweden, südlich vom Wenernsee, wo das erste Bisthum in Schweden gestiftet wurde. Es ist aber zweifelhaft, ob er damals schon bestand und nicht Thurgat noch Missionsbischof ohne festen Sprengel war.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/282&oldid=- (Version vom 2.10.2023)