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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

mit allen Menschen aber durch das Band der treusten Bruderliebe verbunden war. Sein gleichnamiger Sohn nun bat, wenn er Morgens in die Schule gehen sollte, vorher, ehe er das Hospiz verließ, um Urlaub und betete, während wir spielten[1]. Thätigkeit zog er der Unthätigkeit vor, und so fruchttreibend gelangte er zur Reife. Kaiser Otto III. wünschte ihn zu besitzen und nahm ihn in seine Dienste; allein er verließ dieselben bald wieder, suchte ein Einsiedlerleben auf und ernährte sich von seiner Arbeit. Nach dem Tode des glorreichsten Kaisers aber, unter der Regierung König Heinrichs II, kam er nach Merseburg, und bat denselben mit Erlaubniß des Herrn Papstes um die Bischofswürde, welche ihm auch zu Theil wurde, indem der König dem Erzbischof Tagino von Magadaburg befahl, ihn zu weihen und ihm das Pallium, welches er selbst mitgebracht hatte, zu übergeben. Darnach unterzog er sich zum Gewinne für seine Seele der Mühe einer weiten und großen Reise, indem er seinen Körper durch Hunger und Nachtwachen kasteite. Er empfing vom Herzog Bolizlav von Polen und anderen Vornehmen viel Geld und Gut, welches er sofort an Kirchen, Freunde und Arme vertheilte, ohne etwas für sich zu behalten. Im zwölften Jahre seines Mönchs- und Musterlebens begab er sich nach Preußen und bemühte sich, jene unfruchtbaren Gefilde mit dem göttlichen Segen zu befruchten, allein die Dornen schossen auf und das rauhe Land war nicht zu erweichen. Als er darauf an der Grenze dieses Landes und Rußlands predigte, untersagten ihm das zuerst die Eingebornen; als er aber fortfuhr, das Evangelium zu verkünden, ward er gefangen, und darnach starb er in der Liebe Christi, der das Haupt ist seiner Kirche, sanft wie ein Lamm, indem er sammt seinen achtzehn Gefährten, am 14. Febr. (1009) enthauptet wurde. Die Leichen aller dieser Märtyrer blieben unbeerdigt liegen, bis Bolizlav, als er das Geschehene erfuhr, sie um Geld einlöste und so seinem Hause einen Seelentrost für die Zukunft erwarb.

  1. Nach Laurent hätte er um Erlaubniß gebeten, in die Kirche gehen zu dürfen; allein dessen bedurfte er nicht zum Gebet. Er scheint vielmehr auf eine Spielstunde verzichtet zu haben. W.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 260. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/286&oldid=- (Version vom 1.10.2023)