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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


diesem Handel nicht mehr zu gewinnen sei. 1015 Aber das Geld siegte über den guten Rath, und jene Partei nahm den Misico vom Kaiser in Empfang und führte ihn, um dem Bolizlav um so mehr zu Gefallen zu thun, nur auf sein Treueversprechen hin, mit allem, was er und sein Gefolge bei sich hatten, heim. Dort bekamen sie denn das Versprochene und ermahnten dabei den Bolizlav und dessen Sohn, daß sie, eingedenk Christi und des Gott geleisteten Eides, dem Kaiser weiter nichts in den Weg legen, noch ihre eigenen Freunde hintergehen lassen möchten. Auf diese liebreichen Vermahnungen gaben sie sofort in schmeichelndem Flötentone eine Antwort, der die That hinterher keineswegs entsprach. Denn obwohl sie wenig oder gar nicht ihr Wort zu halten pflegten, so schoben sie dennoch uns die Schuld davon zu, weil der Kaiser und wir den Misico so spät zurückgeschickt hätten, da derselbe doch zu den kaiserlichen Rittern gehöre. Das lag ihnen beständig im Sinn, und darum versicherten sie, nicht vor dem Kaiser erscheinen zu können. Und wahr ist, daß, wie der Ausspruch des Evangeliums bezeugt [Luk. 14, 18], wer seinen vertrauten Freund verlassen will, nach irgend einer Entschuldigung sucht. Dies erkannte der Kaiser auch gar wohl, und verließ uns, um die bevorstehenden Bettage in Capungun[1] zuzubringen, wohin er seinen Hof von Cassalun[2] weg verlegt hatte. Dort übertrug er unter Beirath seines Kanzlers, des Erzbischofs Heribert von Köln, dem Hethenrich das obenerwähnte Amt eines Abtes von Werden[3].

Unterdeß begann der Bau unserer Kirche, zu der ich in Gegenwart des Erzbischofs Gero am 18. Mai die ersten Steine in Kreuzesform legte.

Der Kaiser aber kam, nachdem er zu Kaufungen gewisse nothwendige Geschäfte besorgt hatte, am heiligen Pfingstabend Mai 28. nach Immedeshusun[4], wo er mit dem Bischof Meinwerk [von Paderborn] das Fest fröhlich vollbrachte.


  1. Kaufungen zwischen Fulda und Werra, kurz vor deren Zusammenflusse.
  2. Cassalun (Cassella) das heutige Kassel.
  3. S. oben Kap. 6.
  4. Imshausen, östlich von der Weser, in der Nähe von Münden.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/303&oldid=- (Version vom 5.10.2023)