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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

1015 9. Hier ward Val, Abt zu Corvei, dem schon vorher seine Amtsthätigkeit bis auf weiteres untersagt war, abgesetzt, und einer aus dem Lorscher Kloster, Namens Druhtmer, ohne Einstimmung der geistlichen Brüder daselbst, an dessen Stelle ernannt. Und als derselbe nun in dieser Woche zu seinem Amtsitze gekommen, so gingen alle Brüder bis auf neun mit weinenden Augen davon, und verließen, wie das der Abt Liudulf einst vorhergesagt hatte, die beinahe verödete Stätte nicht freiwillig.


10. In diesen Festtagen ward der erlauchte Herzog Ernost von Alemannien, der Nachfolger Herimans des Kindes, als er in einem Walde unerlaubter Weise jagte, leider von einem seiner Ritter, mehr aus Versehen, als aus Vorsatz, indem derselbe nämlich mit seinem Pfeile eine Hirschkuh treffen wollte, verwundet. Da er nun sah, daß ihm der Tod nahe war, so rief er seine Genossen herbei und bat sie dringend, des Schuldigen zu schonen, und weil er keinen Priester zur Hand hatte, um seine Sünden zu bekennen, so hieß er an dessen Stelle einen seiner Ritter näher herankommen. Als er nun sah, daß derselbe bei ihm stand, sprach er: „Kommt alle heran und vernehmt mit dem Ohre eures Herzens eures sterblichen Mitmenschen und Mitsünders Thaten, und eilet einmüthig dieselben mit zu sühnen; auch allen abwesenden Gläubigen empfehlet, ich bitte euch, meine sündige Seele, und ermahnet meine Ehefrau in meinem Namen, daß sie ihre Ehre wahre und mein nicht vergesse.“ Solches redend, machte er sämmtliche Anwesende mit allem und jedem bekannt, worin sich jemals, so weit er sich erinnern konnte, vergangen hatte, und verschied bald darauf, am 31. Mai. Er ward, seinem Wunsche gemäß, zu Wirciburg [Würzburg], neben seinem Vater, dem Markgrafen Liupold [von Oesterreich] bestattet. Dieser Jüngling, dem wie er selbst, als er noch lebte, bezeugte, es lieber gefiel, hinnieden vor Vielen erröthen zu müssen, als vor Gott dem Allmächtigen etwas zu verbergen, ist, so hoffe ich, der Seligkeit theilhaftig. Nehmet an ihm ein Beispiel, ihr Brüder in Christo, und leget

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/304&oldid=- (Version vom 5.10.2023)