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Seite:Die Chronik des Thietmar von Merseburg.pdf/314

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

1015 schweifte, wahrnahm, daß ihnen die Lebensmittel ausgegangen waren, oder daß sonst ein Unfall drohte, so sagte er Gott ein Dankgebet her und ließ alle dasselbe thun. Durch unermüdliches Taufen, Predigen und Firmen war er nicht nur für seine Kirche, sondern auch für sehr viele andere thätig. Indem er sich fast dasjenige sogar entzog, wovon er selbst mit den Seinen leben sollte, erwarb er seiner Kirche beinahe zweihundert Hufen Landes. Salböl und Geistliche weihte er selten, aber Gotteshäuser gern und zwar häufig ohne Messe. Seine Augen wurden wegen eines beständigen starken Thränengusses schon dunkel. Uns, seinen Altersgenossen, mißfiel ob unserer Missethat seine Art zu sein und ihm die unsere. Ueber drei und zwanzig Jahre verlebte er in unsäglicher Arbeit; sein Ende sagte er vorher und bat wiederholt, nie in Meißen begraben zu werden. Denn aus Furcht vor einer künftigen Zerstörung dieser Stadt hatte er beständig den Wunsch im Herzen, daß er an einem Orte Namens Colidici[1], wo der Leib eines großen Blutzeugen Christi ruht, sein Grab zu finden würdig befunden werden möchte. Allein Graf Heriman ließ ihn, in der Hoffnung, daß der ihm von Gott bereitete Ort durch seine Fürbitte werde gefördert werden, dort, wie gesagt, begraben.


Dec. 24. 19. Am Weihnachtsabend starb Erzbischof Meingaud von Trier in seiner Stadt Cophelenci [Koblenz] nach einer Wirksamkeit von acht Jahren und sieben Monaten, und seine Leiche ward von da nach seinem eigenen Sitze gebracht und mit Ehren zu seinen Vorgängern beigesetzt.

Der Kaiser ward auf diese Nachrichten über den Verlust so großer Kirchenväter voll Trauer und berieth sich mit seinen Vertrauten, wie er die leeren Stellen wieder ausfüllen möchte. Die Geburt des Herrn beging er dann festlich zu Pathebrunnun [Paderborn]. Darnach setzte er Poppo, einen Sohn des Markgrafen Liupold und damaligen Propst der Kirche zu Bavenberge [Bamberg], über die Diöcese Trier, und da derselbe auf Befehl des

  1. Colidici (Koldiz) liegt nördlich von Rochlitz auf der rechten Seite der Mulde.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/314&oldid=- (Version vom 6.10.2023)