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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

und heilsames ist, 1015 wenn man sie sorgsam befolgt, wo nicht, sehr gefährlich. Und obwohl ich hiemit niemand anders anklagen will, als nur mich selbst, so besorge ich doch, daß die große Mehrzahl der Menschen sowohl in dem eben berichteten ersten, als auch in dem sogleich zu schildernden zweiten Falle ihre Pflicht verabsäumt. Jemehr wir aber die Befehle und Weisungen unserer Vorgesetzten vernachlässigen, desto schuldiger sind wir, wenn dieselben uns zur Rechenschaft ziehen.


25. Außerdem bin ich eines andern Vergehens anzuklagen, welches ich von Herzen bereue. Ich besuchte Reding, den Dompropst zu Magadaburg, in der Fastenzeit, die seinem Ende vorherging. Er bewirthete mich auf das liebreichste, und bat mich bei der Gelegenheit um eine geheime Unterredung, in der er, indem ihm die Thränen hervorbrachen, also zu sprechen begann: „Ich befürchte sehr, eines plötzlichen Todes zu sterben; ich will dir die Vorzeichen, die bereits vorangegangen sind, mittheilen. In Arneburg[1] einmal und hier zweimal wurde mir plötzlich so zu Muthe, daß ich weder sehen, noch hören konnte, jedoch überstand ich diese Zufälle noch mit Christi schleuniger Hülfe. Seit der Zeit bin ich nun sehr besorgt gewesen und habe denen meiner geistlichen Mitbrüder, die wie ich hoffe, dazu geeignet waren, die Wunde meiner Ungerechtigkeit aufgedeckt, dich aber, den ich als meinen treuen Freund fortwährend erkannt habe, rufe ich jetzt inständigst zum Zeugen meines Sündenbekenntnisses an, denn ich glaube, ich werde nicht lange mehr leben.“ Diese Bitte vernahm ich voll Hingebung und versprach ihr in jeder Hinsicht zu genügen. Nachher mahnte er mich wieder daran, erlangte aber, weil damals die Zeit nicht paßte, die Erfüllung seines lobenswerthen Wunsches von mir nicht. Obwohl ich eines Bekehrten offne Herzenswunden wegen des unaufhörlichen Gestankes meines eigenen sündigen Gewissens nicht gerne ansehe und sie zu heilen verzweifele, so hätte ich doch dieses meines lieben Mitbruders Last mit Freuden auf mich genommen,

  1. S. oben VI, 21.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/321&oldid=- (Version vom 6.10.2023)