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Seite:Die Chronik des Thietmar von Merseburg.pdf/326

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


ihrem Vater anzuthun beabsichtigt hatten. Die Frevelthaten, die sie in großer Menge verübten, übergehe ich, weil ich sie nicht kenne; nur das will ich in kurzem mittheilen, was mir jemand als wahrhaft erkundet berichtet hat. Aethelred, König der Angeln, starb 1016 im Jahre 1016 der Fleischwerdung des Herrn, und im Monat Julius desselben Jahres landeten die erwähnten Brüder Harald und Cnut mit ihrem Feldherrn Thurgut und dreihundert und funfzig Schiffen, und belagerten eine Stadt, Lunduna [London], wo die Königin, den Tod ihres Gemahls und Beschützers betrauernd, mit ihren Söhnen Ethelsten und Ethmund und zwei Bischöfen und den übrigen Großen ihres Reiches der Regierung vorstand. Sie belagerten aber und bestürmten die Stadt sechs Monate lang, indem sie auf einem Flusse, der Timisi [Themse] genannt wird, die Schiffe, deren jedes achtzig Mann enthielt, heranführten. Da endlich schickte die des unablässigen Krieges müde Königin Boten, welche um Frieden anhalten und dringend anfragen mußten, was sie von ihr verlangten. – Darauf ward ihr denn von den unersättlichen Feinden geantwortet, wenn die Königin ihre Söhne zum Tode ausliefern und sich selbst mit funfzehntausend, die Bischöfe aber mit zwölftausend Pfund Silbers und mit allen Harnischen, die sie besaß (und ihre Anzahl belief sich auf die fast unglaubliche Zahl von vier und zwanzig Tausend) lösen und zur Bekräftigung dessen dreihundert auserlesene Geiseln stellen wolle, so könne sie für sich und ihre Genossen Frieden und Rettung des Lebens erlangen; wo nicht, so würden sie, riefen alle dreimal aus, allesammt durchs Schwert umkommen. Die ehrwürdige Königin nun, die von dieser Botschaft sammt den Ihrigen gar sehr erschüttert ward, gelobte es nach langer, mit bewegtem Gemüthe angestellter Erwägung und bestätigte es durch ihre erwähnten Ritter. Indeß entkamen in der Stille der Nacht die beiden Brüder in einem Bote der ihnen bestimmten Gefahr, und sammelten nun zur Vertheidigung des Vaterlandes und zur Errettung ihrer Mutter, ohne daß der Feind noch etwas davon wußte, so viel Krieger, wie sie nur vermochten. Als aber eines Tages Thurgut, der Führer der Seeräuber, um das benachbarte

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 300. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/326&oldid=- (Version vom 6.10.2023)