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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

sich in unseren Zeiten ereignete. Damals nämlich, als der durchlauchtigste König Heinrich schon herrschte, zur Zeit meines Amtsvorfahren Wigbert, fiel auf einer Besitzung, Namens Rotlizi[1], welche, einst von der ehrwürdigen Frau Ida, der Schnur Otto’s I., unserer Kirche übertragen und ein Lehen des Propstes Gezo war, folgendes vor, wie mir Gezo selbst in Wahrheit versicherte. Als einstmals während einer mühevollen Ernte die ermüdeten Schnitter sich erholen wollten, sahen sie, wie ein eben angeschnittenes Brod Blut vergoß. Verwundert zeigten sie das ihrem Herrn und ihren Nachbarn. Dies Wunderzeichen aber deutete, wie ich vermuthe, den Ausgang eines künftigen Krieges an, und daß in demselben viel Menschenblut werde vergossen werden.

Auch eine andere Begebenheit beschreibe ich, die, obwohl weit preiswürdiger, doch zugleich auch wunderbar und merkwürdig ist. In der Romulischen Veste, die aus verschiedenen Ursachen aller Städte Haupt ist, floß in einer Kirche, an der rechten Seite des Altars, aus einer Oeffnung des Estrichs einen ganzen Tag lang Oel hervor, wie das Viele staunend sahen. Einen Theil davon sandte damals in einer Flasche Johann, der Sohn des Crescentius, seinem Lehnsherrn und damals unserem Könige Heinrich; und weil nun Oel bald für Barmherzigkeit gesetzt wird, wie es heißt: „Das Oel auf deinem Haupte soll nicht mangeln“ (Pred. 9, 8), und bald für Schmeichelei, z. B.: „Das Oel des Sünders wird mein Haupt nicht fett machen“, so vermuthe ich, daß in diesem Zeichen eine Hindeutung liege auf die überströmende Gnade unsers Herrschers und zugleich auf die heimlichen Uebergriffe dieses Patriciers. Denn er, der Zerstörer des päpstlichen Stuhles, hatte durch seine Geschenke und seine schönklingenden Worte den von Gott eingesetzten König vor den Augen Vieler gar oft geehrt, jedoch war er gar sehr darauf bedacht, daß derselbe nicht zur Höhe der Kaiserwürde emporsteigen möchte, und suchte dies heimlich auf alle Weise zu hintertreiben, denn also spricht der heilige Gregor: „Irdische Gewalt wird vernichtet, wenn himmlische Hoheit sich

  1. Rochlitz, vergl. oben VI, 36.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/352&oldid=- (Version vom 23.11.2023)