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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

Vier Tage nachher kam Oda, eine Tochter des Markgrafen 1018 Ekkihard [von Meißen], um welche Bolizlav schon lange geworben hatte und die er jetzt durch seinen Sohn Otto einholen ließ, nach Cziczani[1]. Weil es gerade Nacht war, als sie ankamen, so fanden sie viele Lichter angezündet und eine große Menge beiderlei Geschlechts empfing sie. Sie heirathete den Herzog nach Septuagesima, freilich ohne kanonische Erlaubniß[2]. Sie lebte nicht nach der gewöhnlichen Frauenweise und verdiente das Glück eines so angesehenen Ehebundes gar sehr[3].


2. Im Reiche des Gemahls derselben giebt es viele unterschiedliche Bräuche, und obwohl roh, sind sie doch bisweilen preiswürdig. Denn Bolizlavs Unterthanen müssen gehütet werden, wie eine Heerde Rinder, und gezüchtigt, wie störrische Esel, und sind ohne schwere Strafe nicht so zu regieren, daß der Fürst dabei bestehen kann. Wenn unter ihnen einer sich erfrecht, fremde Ehefrauen zu mißbrauchen oder Hurerei zu treiben, so muß er sofort folgende Strafe erdulden. Er wird auf die Marktbrücke geführt und ihm durch den Hodensack ein Nagel geschlagen; dann legt man ein Scheermesser neben ihn hin, und läßt ihm die harte Wahl, dort auf dem Platze sich zu verbluten, oder sich durch Ablösung jener Theile zu befreien. – Ferner wird jeder, der nach Septuagesima Fleisch gegessen zu haben befunden wird, mit Ausreißen der Zähne, schwer genug, bestraft. Denn die göttlichen Gebote, die erst neuerdings in diesem Lande bekannt geworden sind, werden durch solchen Zwang besser befestigt, als durch ein von den Bischöfen verordnetes allgemeines Fasten. Außerdem hat freilich jenes Volk noch andere viel weniger zu lobende Satzungen, die weder Gott wohlgefällig, noch zu irgend etwas anderem dienlich sind, als die Gemüther zu ängstigen, ich habe im vorhergehenden dieselben zum Theil mit besprochen. Auch halte ich es nicht für

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 333. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/359&oldid=- (Version vom 10.9.2023)
  1. Cziczani lag etwas nördlich von Jarina in der Lausitz und ist vielleicht dieselbe Stadt, welche Thietmar vorher Siciani nannte.
  2. Diese war nöthig nach kirchlichen Gesetzen, weil diese Zeit zu denen gehörte, in den Hochzeiten verboten waren.
  3. Ironisch gesprochen.