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Seite:Die Chronik des Thietmar von Merseburg.pdf/360

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

nöthig, von jenem Manne weiter zu reden, dessen Name und Leben – wenn es Gott der Allmächtige also gewollt hätte! – uns besser ganz unbekannt geblieben wäre. Denn jenes ganze Verhältniß, daß nämlich sein Vater und er mit uns durch Ehe und große Freundschaft verbunden sind, hat uns bisher mehr Schaden, als Nutzen gebracht; und so wirds auch in Zukunft sein; denn wenn er uns auch in vorgeblichem Frieden eine Zeitlang freundlich behandelt, so hört er doch nicht auf, durch mancherlei heimliche Versuchungen uns von der Liebe zu den Unsern und von der angebornen Freiheit abzulenken, und wird sich, wenn einst Zeit und Ort günstig sind, offen zu unserm Verderben erheben. Zu Zeiten seines Vaters, da derselbe noch ein Heide war, ward einer jeden Ehefrau, die ihren Mann verlor, nachdem derselbe verbrannt war, das Haupt abgeschlagen und so folgte sie ihm. Und wenn eine Buhlerin entdeckt wurde, so ward ihr die widrige und klägliche Strafe zu Theil, daß sie an ihrem Zeugungsgliede ringsum beschnitten wurde, und diese – wenn man sie so nennen darf – Vorhaut ward an ihrer Hausthür aufgehängt, damit der Blick des Eintretenden darauf falle und er in Zukunft um so mehr bedacht und vorsichtig wäre. Das göttliche Gesetz befiehlt, eine solche Verbrecherin zu steinigen und die Sitte unser Väter verlangte ihre Enthauptung. In unseren Tagen aber, in denen die Freiheit zu sündigen mehr, als je, ganz schrankenlos herrscht, treiben außer der Menge der verführten Mädchen selbst noch gar manche verheirathete Frauen, denen geile Lust den verderblichen Kitzel anreizt, Ehebruch, und zwar noch zu Lebzeiten ihres Mannes. Und damit nicht zufrieden, überliefert manche noch, indem sie ihren Buhlen heimlich dazu antreibt, ihren Ehemann der Hand des Mörders, den sie darauf – ein böses Beispiel für die Uebrigen! – öffentlich zu sich nimmt und mit ihm, wie schändlich! nach vollem Belieben buhlt. Ihr rechtmäßiger Ehegemahl wird verschmäht und zurückgestoßen, und sein Vasall, wie der holde Abo[1] und der

Empfohlene Zitierweise:
Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/360&oldid=- (Version vom 10.9.2023)
  1. Er scheint den Griechen Abro zu meinen, dessen ausschweifendes Leben sprichwörtlich geworden war.