Seite:Die Chronik des Thietmar von Merseburg.pdf/362

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

1018 darum von seinem Bischofe getadelt wurde, versicherte er, er sei dazu reich und mächtig genug! Seine Frau, Namens Beleknegini (das heißt in slavischer Sprache die schöne Herrin) trank über die Maßen; sie ritt auch wie ein Kriegsmann einher, und erschlug einst in aufbrausendem Zorne einen Mann. Besser wäre es, ihre also mit Blut befleckte Hand hätte die Spindel geführt und ihren rasenden Sinn Geduld gezügelt.


Febr. 4. Zu jener Zeit griffen die Liutizen – wie sie denn zum Bösen sich immer leicht vereinigen – den alten Mistizlav, der ihnen das Jahr vorher auf dem Zuge mit dem Kaiser[1] keine Hülfe geleistet hatte, mit ganzer Macht an, verheerten den größten Theil seines Landes, und nöthigten seine Frau und Schwiegertochter zu fliehen und ihn selbst, sich mit einer Schaar auserlesener Krieger in die Festungswerte von Zuarina [Schwerin] zu werfen. Darnach zwangen sie durch arglistige Verführung vermittelst der sich gegen Christus und ihren Fürsten empörenden Bewohner ihn, sein väterliches Erbe zu verlassen, und auch das nur mit genauer Noth. Diese verabscheuungswürdige Frevelthat ward verübt im Monat Februar; in jenem Monate, der, von den Heiden durch Sühnopfer und Darbringung herkömmlicher Geschenke gefeiert, von dem Höllengotte Pluto, der auch Februus[2] heißt, seinen Namen empfangen hat. Damals stürzten alle in jenen Landen zu Ehren und zum Dienste Gottes errichteten Kirchen in Schutt und Trümmern zusammen, und, was das kläglichste ist! das Bild Christi am Kreuze ward verstümmelt, und Götzendienst statt der Verehrung des wahren Gottes eingeführt und der Sinn jenes Volkes, welches Abotriten und Warer[3] heißt, ward verstockt wie einst das Herz des Pharao. Die Freiheit nahmen sie wie die Liutizen in bekannter Täuschung in Anspruch, aber den Nacken, den sie dem sanften Joche Christi entzogen hatten, beugten sie aus freiem

  1. S. oben VII, 44. Mistizlaw war Fürst der Obotriten.
  2. Februus war der etrurische Gott der Unterwelt und wurde mit Pluto identificirt. S. Makrob. Saturnal. I, 13.
  3. Einwohner des Landes Wagrien.
Empfohlene Zitierweise:
Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 336. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/362&oldid=- (Version vom 23.11.2023)