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Seite:Die Chronik des Thietmar von Merseburg.pdf/372

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

habe. Auf einer mir zugehörigen Besitzung, Namens Heslinge[1], sah ich, als ich dort eines Nachts schlief, im Traume eine Menge Gestalten vor mir stehn, die mich nöthigten, von einer mir vorgesetzten Schüssel etwas zu genießen. Ich aber merkte, daß dies feindselige Wesen waren, und verschmähte das Dargebotene zuerst, zuletzt aber antwortete ich ihnen, ich wolle es im Namen Gottes des Vaters nehmen. Obwohl ihnen das nun gar sehr mißfiel, so bewilligte es doch diese verhaßte Schaar, seufzend, weil sie sah, daß es anders nicht ging, und weil sie entschlossen waren, mich doch einmal ganz zu Grunde zu richten, und hätte ich damals nicht den Namen Gottes angerufen, so wäre ich meiner ewigen Seligkeit verlustig gegangen. Durch diesen Trank, der, wie mir vorkam, aus Kräutern aller Art gemischt war, habe ich die mannigfaltigsten schlechtesten Gedanken in meinen Sinn bekommen, die, obwohl sie mich während des Gottesdienstes gewaltig stören, doch mit Gottes Hülfe, den ich ja zu meinen Schutze über sie gesetzt habe, mich selten oder nie zu einer schlechten That verleitet haben. Indeß genügt es vorläufig ihrem bösen Willen, daß sie wenigstens einigen Theil an mir zu haben glauben. Denn ein anderes Mal umringten mich dieselben Wesen wieder, blieben aber, weil ich mich wiederholt bekreuzigte, in der Ferne, und fragten mich höhnend: „Hast du dich nun gut verwahrt?“ Worauf ich antwortete: „Ja, so hoffe ich.“ Und sie erwiederten: „Aber so wird es nicht immer sein.“ Ich aber fürchte weder ihre Drohungen, noch glaube ich ihren Schmeichelreden, weil sie eitel und nichtig sind wie ihre Urheber. Ich bin gar sehr bekümmert wegen der Größe meines Vergehens und weiß aus Ueberzeugung, daß eine solche Erscheinung, obwohl sie körperlich ist, an sich den Menschen nicht schaden kann; wenn wir aber durch sündiges Leben Gottes Antlitz von uns abwenden, so fallen wir Unglückliche diesen wutherfüllten, niemandes schonenden Wesen in die Hände; indeß auch von ihnen kommen wir alsbald frei, wenn wir uns selbst bekehren, oder von den Auserwählten des Herrn mit häufigen Besuchen begnadigt

  1. Vgl. II, 26,
Empfohlene Zitierweise:
Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 346. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/372&oldid=- (Version vom 23.11.2023)