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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

fliehend verließ, nahm sie am 14. August den Bolizlav und ihren 1018 längst verlorenen Herrn, den Herzog Zentepulk auf; durch die Gunst, in der derselbe stand, und durch die Furcht vor den Unsrigen wandte sich diese Gegend schnell ihm zu. Der Erzbischof dieser Stadt aber empfing die Ankommenden ehrenvoll, mit den Reliquien der Heiligen und anderen kirchlichen Zierden versehen, im Münster der heiligen Sophia, welches das Jahr vorher durch einen Zufall kläglich eingeäschert war. Daselbst befanden sich die Stiefmutter, die Gemahlin und neun Schwestern König Jarizlav’s, deren eine der alte Wollüstling Bolizlav, der früher um sie geworben hatte, unrechtmäßig, seine Gattin vergessend, heimgeführt hatte. Daselbst ward ihm unsäglich viel Geld gezeigt, wovon ein großer Theil unter seine Gastfreunde und Anhänger vertheilt, einiges aber in die Heimat geschickt ward. Den Herzog unterstützten unsererseits dreihundert, von den Ungarn fünfhundert, von den Petineern [Petschenegen] aber tausend Mann. Diese alle wurden darauf nach Hause entlassen, da der genannte Fürst Zentepulk mit Freuden sah, daß die Eingebornen ihm zuströmten und ihm Treue zeigten. In jener großen Stadt, welche der Hauptsitz dieses Reiches ist, sind mehr als vierhundert Kirchen und acht Märkte. Die Einwohner aber, deren Zahl unbekannt ist, und die, wie jene ganze Landschaft, aus dem Kerne flüchtiger Sclaven, die dorthin von allen Seiten zusammenströmen, und besonders aus schnellfüßigen Dänen bestehen, haben den sie häufig angreifenden Pecinegen [Petschenegen] bisher immer widerstanden und noch andere Feinde besiegt. Bolizlav aber, durch solches Glück stolz gemacht, sandte den Erzbischof von Kiew an Jarizlav mit dem Verlangen, er möge ihm seine Tochter wieder zusenden, wogegen er dann versprach, ihm seine Stiefmutter, Gemahlin und Schwestern wieder herauszugeben. Darnach schickte er seinen lieben Abt Tuni mit großen Geschenken an unseren Kaiser, um dessen Gunst und Hülfe fernerweitig zu erwerben und seine Dienstfertigkeit in jeder Beziehung für die Zukunft zu zeigen. Auch nach dem nahen Griechenland schickte er Gesandte, welche dem dortigen Kaiser alles

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 359. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/385&oldid=- (Version vom 23.11.2023)