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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

den Fremden wegen der dort sich abspielenden Volksscenen lebhaft anzieht. Die Calle de los Caballeros ist, wie schon ihr Name besagt, eine der vornehmsten Valencias, sie ist breiter als die übrigen, und hier sieht man stolze, stille Paläste der Edlen, die von einem reich galonnirten Thürhüter bewacht werden. Pferdebahnlinien durchziehen die Stadt und führen zu der am Turia gelegenen Promenade la Glorieta, wo Abends Militärmusik spielt. Die Palmen der hübschen Gartenanlagen waren in diesem Jahre von dem abnormen Froste ganz braun. Valencia ist fast in Kreisform gebaut; im Süden befindet sich der Bahnhof und die Arena für die Stiergefechte, im Norden schließt der Turia es von den Vororten ab. Das Bett des Flusses ist im Sommer stets versandet, dann sickert nur noch das gelbliche Wasser durch den Felsengrund. Fünf steinerne Brücken spannen sich stolz darüber, aber wenn man unwillkürlich über so viel Fürsorge lächelt, wird man belehrt, daß der Turia nicht immer so zahm und oft zu Ueberschwemmmungen geneigt ist.

So sieht das Stück Erde aus, welches der deutsche Kronprinz von spanischem Boden zuerst sah, so die Stadt, welche ihn am 22. November unter Jubel der Bevölkerung feierlich begrüßte!

Die zweite spanische Stadt, die den Thronfolger des deutschen Kaiserreiches beherbergen durfte, ist Madrid. Es ist kein althistorischer Ort, sondern erst von Karl V. zur Landescapitale erhoben worden. Obwohl eine hübsche Stadt mit breiten glänzenden Straßen, grünen Plätzen, schönen Promenaden, besitzt sie nichts Typisches für Spanien überhaupt, da sich hier zu sehr nationales Wesen mit internationalen Elementen mischt. Von hoher Bedeutung sind aber in Madrid die Kunstschätze, vor Allem die Gemäldegallerie, welche wohl einzig in der Welt dasteht. Velasquez lernt man in seiner ganzen Genialität und Vielseitigkeit nur hier kennen, das Museum zählt 62 seiner Originalwerke. Sodann 46 Murillo’s, 58 Ribera’s, 21 Vandyke’s, 10 Raphael’s, 62 Rubens etc.

Die Armeria real ist eine der interessantesten Waffensammlungen Europas. Das Gebäude, welches an das königliche Schloß stößt, wurde an Stelle des alten maurischen Alcazar unter Philipp II. errichtet. Das Schloß selbst, in dem jetzt der deutsche Kronprinz residirt, liegt an der Plaza del Oriente – einem großen baum-, und statuenbestandenen Platze. An die Rückseite des Palastes schließt sich der Jardin del Campo del Moro. Von ihm sieht man zum Manzanares hinunter, auf die grüne Ebene hinaus und bis zu den Bergen, an deren Abhange der Escurial ragt. Der Palacio real ist ein mächtiger Bau, der, von außen betrachtet, mehr durch Größe als durch Schönheit imponirt. Er ist 470 Fuß lang und ebenso viele breit und 100 Fuß hoch; das untere Geschoß im Rusticageschmacke besteht aus Granit, weiße Steinsäulen trennen die Fenster der oberen Stockwerke und reichen bis zum Simse des flachen Daches. Philipp V. wünschte mit diesem Schlosse einen Nebenbuhler von Versailles zu errichten, der Bau wurde 1737 nach den Plänen eines Turiner Architekten begonnen.

Doch das Heim des königlichen Gastgebers unseres Kronprinzen ist erst vor Kurzem (vergl. Nr. 49) in der „Gartenlaube“ geschildert worden. Wir haben dieser Schilderung nichts weiter hinzuzufügen, als nur den aufrichtigsten Wunsch, daß die Freundschaft der beiden Monarchen auch ihren Völkern Segen bringen möge.




Ludwig Erk, † 25. November 1883.

 „Hie kann nicht sein ein böser Muth,
 Wo da singen Gesellen gut.“
  Martin Luther, „Frau Musika“.

In dem Liederschatze des deutschen Volkes lebt manche „wundersame“ und herzerquickende Melodei, die Tausende schon erfreut, entzückt, erbaut und besser gemacht hat, ohne daß der Sänger oder Hörer große Sorge um den Ursprung und die Herkunft des Liedes an den Tag legte. Hoffentlich ist Mancher daran erinnert worden, als sich die Kunde von dem Tode eines Mannes verbreitete, dessen Name mit dem deutschen Liede auf das Engste verknüpft ist: Ludwig Erk. – Erk gehört zu den ausgezeichneten Männern unserer Nation, welchen die Ruhmeskränze nicht erst von der Nachwelt geflochten zu werden brauchen, die Zeitgenossen haben seine Verdienste voll und ganz gewürdigt – er ist mit dem Bewußtsein in die Gruft hinabgestiegen, dem Volke gedient und den Besten genug gethan zu haben. Das Biographische des Heimgegangenen läßt sich in wenig Worten geben.

Geboren den 6. Januar 1807 zu Wetzlar, erhielt er den ersten Unterricht von seinem Vater, dem Lehrer, Cantor und Organisten am dortigen Dome, Adam Wilhelm Erk; nach dem Tode desselben verließ Ludwig Erk das elterliche Haus und trat in das von Johann Balthasar Spieß, dem bekannten Erzieher und Anhänger Pestalozzi’s, geleitete Erziehungsinstitut zu Offenbach am Main. Durch seinen Vetter, den berühmten Pädagogen Diesterweg, bestimmt, übernahm er 1826 die Musiklehrerstelle am Seminar zu Mörs, um dieselbe 1835 mit der am Seminar für Stadtschüler zu Berlin zu vertauschen. Hier wirkte er in höchst segensreicher Thätigkeit bis 1876, in welchem Jahre er unter herzlichster Theilnahme der Residenz und den Segenswünschen seiner vielen Freunde aus Nah und Fern das fünfzigjährige Amtsjubiläum feierte.

Die Stadt Berlin ehrte Erk durch ein anerkennendes Document, in welchem dem Jubilar zugleich die Zusicherung eines lebenslänglichen Ehrengehalts von jährlich 3000 Mark gemacht war. Zu dem Titel eines königlichen Musikdirectors trat bei Gelegenheit des Jubeltages auch der eines Professors, sodaß Erk, mit Ehren beladen und materiell in jeder Beziehung wohl gesichert, in dem erwähnten Jahre sein Amt niederlegen konnte, um der wohlverdienten Ruhe zu pflegen.

Das Hauptverdienst hat sich Erk um das deutsche Volkslied erworben, dessen Pflege seine Lebensaufgabe war. Auf Grund streng wissenschaftlicher Studien und in lebendiger Wechselwirkung und Beihülfe hervorragender Forscher und Dichter, versenkte sich Erk in die vergrabenen Schätze der deutschen Volkspoesie, um jene Lieder zu heben, die heute in dem Munde von Millionen sind.

Die Bergung mancher uns heute so einfach und leicht erscheinenden Perlen war indeß recht oft mit großen Schwierigkeiten verknüpft, es galt die Urtexte aufzufinden, sie von etwa anhaftenden Schlacken zu befreien, die Melodien und Harmonien hinzuzufügen, um so dem Volke eine gesunde Kost zu bieten, die zu allen Zeiten, namentlich aber in den Perioden politischer und kirchlicher Bewegungen von großem Nutzen gewesen ist. An Stelle überschwänglicher Sentimentalität und naiver Trivialität wußte Erk stets Einfachheit und Natürlichkeit zu setzen; hierdurch schlug er zugleich „Lesarten“ aus dem Felde, deren Ursprung zweifelsohne in die Zeit der wenig scrupulösen Landsknechte zurück reichte. Was er nicht aus Büchern und alten Pergamenten gewinnen konnte, schöpfte er aus dem lebensfrohen Brunnen des Volkes selbst, oft zog er hinaus in den Odenwald, um den Gesang eines Hirtenbuben oder eines alten Mütterchens zu belauschen und – zu Papier zu bringen.

Die Früchte dieser Studien sind in zahlreichen Werken niedergelegt worden – großen Bänden und kleinen Büchlein, von denen sich die letzteren in Millionen Exemplaren in den Händen der deutschen Jugend befinden. Folgende Titel mögen hier genannt werden: „Deutscher Liederhort. Auswahl der vorzüglicheren deutschen Volkslieder aus der Vorzeit und aus der Gegenwart mit ihren eigenthümlichen Melodien“, „Liedergarten“, „Liederkranz“, „Frische Lieder und Gesänge“, „Blätter und Blüthen“, „Sangesblüthen“, „Deutscher Liederschatz“, „Sängerheim“, „Volksklänge“ etc. Um jedem Lebensalter ein Sträußchen zu bieten, bearbeitete Erk die geeigneten Lieder für Kinder-, Männer-, Frauenstimmen, beziehungsweise gemischten Chor. Ein vollständiges Verzeichniß dieser Sammlungen und Bearbeitungen umfaßt weit über hundert Nummern.

Es würde die Grenzen des bemessenen Raumes weit überschreiten, wollten wir noch seiner eigentlichen Lehrerthätigkeit gedenken; er hat tüchtige Schüler herangebildet, die in seinem Geiste weiter arbeiten und in Stadt und Land über ganz Deutschland verbreitet sind. Der von ihm 1845 gegründete und geleitete „Männer-Gesangverein“ gehört heute zu den besten musikalischen Vereinigungen, die Direction eines ebenbürtigen, ebenfalls von ihm gestifteten „Vereins für gemischten Chor“ übergab er seinem Schüler und Freunde Gustav Gäbler – so ist durch Schrift, Wort und Ton hinreichend gesorgt, daß die Resultate seines Fleißes der deutschen Nation erhalten bleiben. Rufen wir dem Heimgegangenen die ihm am 6. Januar 1874 von Hoffmann von Fallersleben gewidmeten Worte nach:

„Du lehrtest, was in Freud’ und Leid
Das Volk zu singen weiß,
Drum Dir gebührt zu aller Zeit
Des Volkes Dank und Preis.“

Gustav Schubert. 




Vom Bücher- und Bildermarkt für den Weihnachtstisch können wir unseren Lesern noch eine Anzahl Bilder- und Spielbücher für die Kinderwelt vorlegen.

„Spiel um’s Leben“ ist der Titel eines Bilderbuchs, für welches Wilh. Claudius 24 Originalzeichnungen und Johannes Trojan die Verschen lieferte und das im Verlag von C. C. Meinhold u. Söhne in Dresden erschienen ist.

„Glückliche Kinderzeit. Ein Bilderbuch für Mädchen und Knaben mit 36 Bildern von Fedor Flinzer und 50 Liedern und Reimen von G. Chr. Dieffenbach. Bremen, M. Heinsius.“ Ein prächtiges Kindergesichtchen grüßt uns am Eingang in die stattliche Gallerie lustiger und ernster Darstellungen aus dem Kinderleben. Dieffenbach überschreitet nie den kindlichen Horizont des Verständnisses und der Anschauungsmöglichkeit und läßt auch die Leitung zum Religiösen an rechter Stelle zur Geltung kommen.

In demselben Verlag erschienen das Bilderbuch „Aus dem Kinderleben“, ebenfalls mit Liedern und Reimen von Dieffenbach und mit 24 Bildern von Ludwig Richter und Hugo Bürkner, 2. Auflage, und „Der kleine Nußknacker“, 600 Kinderräthsel, Scherzfragen, Spielliedchen, Verschen und Gebete, herausgegeben von Ernst Lausch. Dieses äußerlich unscheinbare und bilderlose Büchlein verdient doch besondere Beachtung, indem es seine Gaben mit liebevoller Berücksichtigung der Fassungsfähigkeit des kindlichen Geistes austheilt; es sorgt erstens für die ganz Kleinen, zweitens für die Kleinen, und drittens für die Größeren und Großen mit pädagogisch feiner Unterscheidung.

Von Ebhardt’s Bilderbüchern (Berlin, Druck und Verlag von Franz Ebhardt) erfreuen die „Knabenspiele“ und die „Jahrmarktsfreuden“ mit leichtverständlichen Prosatexten und buntem Bilderschmucke.

Dasselbe gilt von dem bei V. Bück in Luxemburg erschienenen „Kinderfreund“ von Karl Wersch, mit 14 Zeichnungen von O. Pletsch.




Kleiner Briefkasten.

J. M. S. in G. Das Dr. Fürst’sche Universal-Thermometer (vergl. „Gartenlaube“ Nr. 40) ist in vorschriftsmäßiger Herstellung nur durch R. H. Paulcke in Leipzig zu beziehen, und so viel wir wissen, gesetzlich deponirt sowie durch Schutzmarke vor Nachbildung geschützt.



Inhalt: Glockenstimmen. Von Stefanie Keyser (Fortsetzung. S. 805. – Weihnachten in Madrid. Von Gustav Diercks. S. 811. Mit Illustration. S. 809. – Die letzte große Ritterschlacht auf deutschem Boden. S. 813. Mit Illustration S. 813. – Die Braut in Trauer. Von Ernst Wichert (Schluß). S. 814. – Die Kunst, Geld zu machen. S. 818. – Blätter und Blüthen: Zwei spanische Städte. S. 819. Mit Illustrationen. S. 816 und 817. – Ludwig Erk, † 25. November 1883. Von Gustav Schubert. – Vom Bücher- und Bildermarkt für den Weihnachtstisch. – Kleiner Briefkasten. S. 820.


Unter Verantwortlichkeit von Dr. Friedrich Hofmann in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 820. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_820.jpg&oldid=- (Version vom 24.1.2024)