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äußert sich auch sehr gnädig über meine auf dem Kunstvereine ausgestellten Arbeiten.

23) Dienstag... Abends Herr Otto Kade und Rethel bei uns. Händels Messias wird ein wenig durchgenommen, und ich erinnere mich lebhaft der Zeiten, da in Wien im Olivier’schen Haus das zum täglichen Brod gehörte und alles, bis auf die Jüngsten, in diese Musik eingeübt war.

24) Mittwoch. Meine Zeichnungen zum Nibelungenlied vom Kunstverein zurück. Dagegen die Zeichnung für die Linder „Die Schöpfung" zur Ausstellung daselbst an Opitz übergeben.

28) Sonntag... Gegen Mittag gehe ich zu von Quandt hinüber nach Neustadt und sehe mit Peschel und Ant. Krüger seine Marc-Antons an. – Mit Quandt Kunstgegenstände der Vorzeit zu betrachten, kann einem Vergnügen machen. Es offenbart sich da sein feines und von Natur aus richtiges Gefühl für das Schöne. In der Beurtheilung von Werken der Gegenwart kann er unerträglich sein, weil er im höchsten Grad launenhaft ist. Die Eitelkeit, immer etwas Besonderes und Geistreiches sagen zu wollen, treibt ihn fast immer auf Extreme, und da er es liebt, das Gegentheil von dem zu finden, was Andere gesehen haben, so wird sein Urtheil ganz unzuverlässig. Gewöhnlich entscheidet bei ihm ein erster, oft sehr oberflächlicher Blick. Wird er gefesselt durch irgend eine ihn ansprechende einzelne Schönheit, so ist er für das Ganze gewonnen; stößt ihn aber bei solcher Ueberschau irgend etwas ab, so ist das durchdachteste, tief gegriffenste, durchgeführteste Werk nicht im Stande, ihn zu halten. – Mit solchen Eigenheiten ist man nun freilich kein Muster eines Kunstkenners. Es zeigt sich eben, daß der sittliche Ernst, der allein auf einem religiösen Grunde gedeiht, auch in der rechten Kunstkennerschaft nicht entbehrt werden kann. – Welch ein herrliches Bild gewährt mir die Betrachtung des Staatsministers vom Stein, dessen Lebensbeschreibung in ihrem ersten Bande mich in der letzten Zeit lebhaft beschäftigte! Wie groß, wie edel und wie rein ist da alles! und warum? nicht durch die außerordentlichen Kräfte und Gaben des Mannes, sondern durch den überall hindurchdringenden sittlichen Ernst, durch die religiöse Tiefe, aus welcher Denken und Handeln hervorquillt. – In dem dunkeln Thale, das ich zu durchwandern habe, leuchten mir solche Erscheinungen mit tröstlichem Glanze, und die Erscheinung dieses Mannes tritt um so lebendiger vor die Seele, als ich durch meine persönliche Bekanntschaft mit dem Freiherrn vom Stein in Rom auch ein ganz deutliches Bild seiner äußeren Erscheinung gewonnen habe.

Mai.

3) Freitag. Die Architektur meines Bildes ist mit Kreide ausgezeichnet, so daß nun ein mühsam Stück Arbeit hinter mir ist. Jetzt kommen die Modellstudien daran, die mich gewöhnlich und bei meinen jetzigen Gesundheitsverhältnissen gewiß doppelt angreifen werden.

7) Dienstag. Besuch in Rietschels, dann in Bendemanns Atelier. Rietschel hat die Sachen, die ich sehen wollte (die Tageszeiten), gestern nach Berlin abgeschickt, und ich sehe nichts. Bei Bendemann sehe ich schöne Kartons. Prometheus und das Gastmahl des Sokrates gefallen mir sehr gut. Nachmittag Directorial-Versammlung des Kunstvereins. Wir kaufen Alb. Zimmermanns Landschaft, wegen welcher er mir aus München geschrieben hat. Gegen meine Ansicht wird ein Bild von Gliemann gekauft (die vier Jahreszeiten), das mir sehr zuwider ist.

9) Donnerstag. Christi Himmelfahrt... Die Sorge, mit meinem großen Umriß nicht zu rechter Zeit fertig zu werden, treibt mich heute in das Atelier, anstatt daß ich in die Kirche gehen sollte, und ich versäume eine Predigt von Harleß... Auch am Nachmittag gehe ich zur Arbeit, wie denn auch Rethel den ganzen Tag eifrig an seinem Karton ist. Marie liest mir aus der Allgemeinen Zeitung einen Artikel aus Rom über Kunstzustände vor, in welchem ich die Ehre genieße, bedacht zu werden, und zwar werde ich folgendermaßen erwähnt[1]: „Auch Jul. Schnorr reicht in seinen Darstellungen zum Orlando an die kernhafte Tiefe seines Meisters und Wohlthäters Jos. Koch lange nicht hin“. – Während Förster neulich, als er ein langes und breites von Palme zu rühmen wußte, gänzlich ignorirt, daß dieser mein Schüler und gegen 20 Jahr in der allernächsten Beziehung zu mir gestanden ist, bekomme ich nun auf einmal einen Meister in der Person Jos. Kochs, und da es in einem hingeht und das Wort einen guten Klang hat, so muß Koch mein Wohlthäter sein. – Was diese Kunstschreiber in den Tag hinein salbadern und lügen, ist nicht zu sagen... Der erwähnte Artikel ist unterzeichnet [Adolf] Helfferich.

17) Freitag. Der Hausfrau Geburtstag... Schlechtes Wetter vereitelt den Plan, den Nachmittag im Freien zuzubringen. Dagegen sind wir am Abend mit Blochmanns gemüthlich am Theetisch. Carl von Raumer, Professor in Erlangen, der zufälligerweise hier in Dresden ist, bringt den Abend mit uns zu und belebt die Unterhaltung durch Heiterkeit und Lebhaftigkeit seiner Mittheilungen. Raumer immer noch für ein großes, kräftiges Deutschland im Sinne der Gothaner, also ein Gesinnungsgenosse. Rethel ist auch zugegen.

18) Samstag... Nachmittag habe ich im Atelier längeren Besuch von Hähnel, der in Berlin gewesen, Grüße von Cornelius bringt und viel Rühmliches von Rauchs Denkmal Friedrichs des Großen erzählt...


  1. Beilage zu Nr. 127 vom 7. Mai S. 2028.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/187&oldid=- (Version vom 19.5.2024)