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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

mußten die Arrestanten während der Nacht ohne Decke auf dem bloßen Fußboden schlafen. Bis zu 14 Tagen mußten manche diese Pein erdulden. Der Vorsitzende hob das hervor, Breithaupt versicherte, er habe das für nötig gehalten. Staatsanwalt Dr. Reiner wies darauf hin, daß in manchen dieser alten Hauskeller eine dumpfe Luft zu finden sei. Breithaupt rühmte seine Keller als luftig. Der Vorsitzende zeigte eine leichtere Fußkette und die sogenannte große Kette, mit der eine Hand und ein Fuß gefesselt und der Zögling an die Wand gekettet wurde. Diese Fesselungen sollen dazu gedient haben, Fluchtversuche zu verhindern. Der Vorsitzende stellte fest, daß weder aus dem Keller noch aus der auf dem Boden eingerichteten Zelle eine Flucht zu erwarten war. Die Beköstigung im Arrest war Wasser und Brot; nur an jedem dritten Tag sollte die gewöhnliche Kost eingehalten werden, aber auch das unterblieb zuweilen, so daß manche Jungen während des ganzen Arrestes nichts als Wasser und Brot, und dies auch noch in ungenügender Weise, bekamen. Herausgelassen wurden sie nicht zu einem Spaziergang, sondern nur zur Verrichtung ihrer Bedürfnisse. Straflisten wurden nicht geführt. – Assessor Dr. Simon als Vertreter der Staatsanwaltschaft, ließ feststellen, daß auch in der Strafkolonne die angeblich Fluchtverdächtigen Ketten trugen, und zwar bei der Arbeit. – Auf Befragen des Vertreters der Nebenklage Rechtsanwalts Dr. Rosenfeld erwiderte Breithaupt: Er habe wohl gewußt, daß bei diesen Jungen individuelle Erziehung nötig sei; er habe sich persönlich um sie gekümmert, ihre Personalakten studiert, Briefe an die Eltern geschrieben usw. Einen eigentlichen Unterricht gab es noch nicht, auch eine Bibliothek fehlte, aber „geeignete“ Zeitungen waren vorhanden, außerdem wurden Andachten abgehalten und am Sonntag regelrechter Gottesdienst, auf den dann eine Sonntagserholung oder auch ein Spaziergang folgte. Rechtsanwalt Dr. Rosenfeld ließ schließlich noch eine Nachtragsfeststellung

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/239&oldid=- (Version vom 16.12.2023)