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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

er zu der fraglichen Zeit im Besitze von Geld gewesen sei, wörtlich folgende Bemerkung gemacht: „Ja, woher hatten Sie denn das Geld? Ich weiß es ja, aber ich darf es nicht sagen.“ Ferner habe Landrichter Kriener zu dem von der Verteidigung gestellten Antrag auf Vernehmung des Justizrats Meschelsohn wörtlich gesagt: „Ist Justizrat Meschelsohn etwa Syndikus der Firma A. Wertheim? So. So. Das wollte ich nur wissen.“ Aus alledem folgere der Angeklagte eine Befangenheit des Landrichters Kriener. – Verteidiger, R.-A. Dr. Alsberg: Der Angeklagte ist zur Ablehnung eines Richters befugt, wenn er die Besorgnis hat, daß der abgelehnte Richter befangen ist. Diese Besorgnis kann der Angeklagte haben, wenn der Richter ihm gegenüber das Gesetz verletzt hat. Ob diese Verletzung eine vorsätzliche oder eine fahrlässige war, ist, wie das Kammergericht erklärt hat, gleichgültig. Der Angeklagte kann diese von ihm behauptete Gesetzesverletzung damit begründen, daß der Herr Vorsitzende der Verteidigung erklärt hat, er werde die Verhandlung vertagen, sobald Angriffe gegen die abwesende und damit an ihrer Verteidigung gehinderte Zeugin Wertheim erfolgten. Die Zeugin bleibt ohne zwingenden Grund von Gerichtsstelle fort. – In keinem Falle ist der Herr Vorsitzende berechtigt, den Angeklagten durch die Drohung, zu vertagen und damit die Untersuchungshaft zu verlängern, an der Führung eines Beweises zu hindern. Der Beweis ist von der Kammer selbst früher als erheblich anerkannt worden, denn sie hat die erste Verhandlung nach zweitägiger Dauer vertagt, ausschließlich, um diesen von dem Angeklagten angebotenen Beweis zu erheben. Jetzt auf einmal soll dieser Beweis nicht mehr erheblich sein, weil Frau Wertheim nicht erscheint. Mit dem § 200 der StrPO., der besagt, daß der Richter frei seine Überzeugung aus dem Inbegriff der Verhandlung schöpfen soll, will man uns beweisen, daß das geltendes Recht sei? Wenn sich dieser Rechtszustand aus dem § 200 StrPO. ergäbe, so wäre dieses

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/154&oldid=- (Version vom 15.1.2024)