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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

versteckt noch offiziell, welches darauf hindeuten könnte, ich solle beeinflußt werden. Ich habe von einer angeblichen Verfügung des Herrn Justizministers nichts gewußt und kann mir gar nicht vorstellen, daß die Justizbehörde, wie behauptet worden, die Verurteilung des Angeklagten wünsche. Ich habe nichts in den Akten gefunden, daß irgend wie ein derartiger Wunsch des Justizministers zum Ausdruck gekommen ist. Wenn so etwas in den Akten Stallmann stehen sollte, so muß ich bemerken, daß ich diese Akten niemals gesehen habe. Was Frau Wertheim anbetrifft, so möchte ich folgendes hinzufügen: Der Angeklagte hatte zu seiner Verteidigung angeführt, daß er auf die Heirat mit der Tochter der Frau Wertheim, der Frau Dolly Landsberger, rechnen durfte. Die Ermittelungen ergaben das Gegenteil. Frau Wertheim war nach ihrer Aussage in der ersten Verhandlung, unter Zustimmung des Verteidigers, entlassen worden, und als dann ein gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin gerichteter Antrag der Verteidigung kam, habe ich öffentlich erklärt und die Kammer hat es gebilligt, daß man nicht gegen eine abwesende Zeugin, die sich nicht verteidigen kann, ehrenkränkende Anschuldigungen zulassen, sondern die Sache vertagen werde. Es haben dann zwischen den Verteidigern und mir Besprechungen stattgefunden; ich habe mich dabei aus meiner ursprünglichen Reserve herauslocken lassen. Was ich gesagt habe, habe ich aber nur für meine Person und nicht namens der Kammer gesagt. Dann kam der unerwartete Brief der Frau Wertheim, daß sie nicht kommen könne. Ich habe mich wieder mit den Verteidigern unterhalten, was nun geschehen solle, und wieder in meinem Namen und nicht im Namen der Kammer meine Ansicht über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Angriffen gegen eine abwesende Zeugin ausgedrückt. Ich stehe auch jetzt noch persönlich auf dem Standpunkt, daß das Gericht grobe Anwürfe gegen eine abwesende Zeugin nicht zulassen könne. Ich habe nicht erklärt, daß die Sache

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/159&oldid=- (Version vom 2.2.2024)