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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

Vors.: Wie konnten Sie denn annehmen, daß Sie ohne Mittel besondere Chancen hatten? – Angekl.: Es war ja mehrfach angedeutet worden, daß Frau Wertheim ihre Tochter gern wieder verheiraten wollte. Deren erste Ehe war schief gegangen und nun sollte die Tochter einen Grafen haben. – Vors.: Aber kurze Zeit darauf war die ganze Sache zu Ende. – Angekl.: Frau Wertheim schrieb mir am 8. Januar: vorläufig möchte ich nicht kommen, die Tochter sei krank. In Wahrheit lag die Sache so, daß der Kommandeur des 2. Garderegiments z. F. seinen sämtlichen Offizieren verboten hatte, im Hause Wertheim zu verkehren. Das war ihnen natürlich unangenehm, und deshalb wurde die Krankheit vorgespiegelt. Wie sehr man mich schätzte und keineswegs als den untergeordneten „Reisemarschall“ betrachtete, geht u. a. daraus hervor: Eines Tages begrüßte ich in einem Restaurant den Prinzen Salm-Salm, der mit einer Tante von mir und auch mit dem österreichischen Kaiserhause verwandt ist. Frau Wertheim war ganz entzückt, als sie hörte, daß ich somit auch mit dem österreichischen Kaiserhause verwandt sei. Am Silvesterabend habe ich die Tischordnung gemacht und Frau Wertheim sagte zu mir: Es ist selbstverständlich, daß Sie meine Tochter zu Tisch führen. – Vors.: Zu jener Zeit scheinen sich Mutter und Tochter ganz gut verstanden zu haben. – Angekl.: Nein, sie standen sich nie gut, ich habe immer Veranlassung gehabt zwischen Mutter und Tochter zu vermitteln, denn es kam oft zu argen Szenen zwischen beiden. Ich habe übrigens einen großen Teil meiner Läpperschulden bezahlt. Ich wiederhole, daß ich nicht etwa als Schuhputzer mit auf die Reise gehen sollte, sondern daß man selbst auf mich als Schwiegersohn reflektierte. – Vors.: Nun sind die Wertheims aber doch anderen Sinnes geworden. Wie erklären Sie sich das? – Angekl.: Sie hatten wohl gehört, daß ich auf die Aussicht einer reichen Heirat schon Geld aufzunehmen suchte. – Der Angeklagte gab

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/164&oldid=- (Version vom 22.2.2024)